Smart Beta ETFs unter die Lupe genommen: Was bringen aktive ETFs?

13. Juni 2023

Smart Beta ETFs im Vergleich

Nicht alle Indexfonds bilden klassische Benchmarks ab. Smart Beta ETFs haben das Ziel, Marktindizes und aktiv verwaltete Fonds zu übertreffen. Was verbirgt sich hinter diesen aktiven Strategien und wie schneiden sie im Vergleich zu Standard ETFs ab? Am Ende der Analyse findet sich eine Tabelle mit den größten Smart Beta ETFs am Markt und den wichtigsten Kennzahlen.

Wie Mr. Market entdeckt und heimlich zu Grabe getragen wurde

Können ETFs besser sein als der Markt, dem sie entstammen, in dem sie spezielle Strategien abbilden? Gibt es ein geheimes Index-Rezept, das ETFs, die anders gerechnet werden als klassische Indizes, überlegene Renditen erzielen lässt? Verfechter der klassischen Lehre würden diese Fragen verneinen: Mr. Market hat immer Recht und wird langfristig aktive Investmentstrategien übertreffen. Es gibt einen Markt, der effizient ist, und daher sind die systematisch erzielbaren Markt-Renditen, das Beste, worauf Anleger hoffen können. 

Aber eine derartige Sicht der Dinge gilt inzwischen als antiquiert. Im Grunde haben die Verfechter der Effizienzmarkthypothese selbst an den von ihnen erarbeiteten Grundsätzen  Hand angelegt, indem sie alternative Rendite-Faktoren “entdeckt” haben, die vom klassischen Marktmodell abweichen. Im Jahr 1992 haben Eugene Fama und Graham French weitere Performance-Quellen ins Spiel gebracht: Value und Size. Günstig bewertete und kleine Unternehmen seien zwei weitere systematische Renditequellen, die zudem den Marktrenditen überlegen seien. 

Seit 1992 muss man Verfechtern der “Mr. Market hat immer Recht“-Lehre also die Frage zurückspielen: “Welchen Markt meinst du denn?”. Das war die intellektuelle Geburtsstunde der Smart-Beta-Welle, die die ETF-Industrie in diesem Jahrtausend ausgelöst hat. Die Überlegung: Wenn Value-Aktien und die Aktien kleiner Unternehmen systematische Performance-Vorteile haben, dann müssten ETFs bzw. Indizes, die solche Aktien zusammenbringen, bessere Renditen erzielen als der große Markt. Gesagt, getan: Inzwischen hat die Finanzwissenschaft nicht nur die Faktoren Value und Size identifiziert, sondern mannigfaltig andere, weitere Performance-Quellen. Der Indexanbieter S&P führt beispielsweise über 70 Einzelfaktoren für verschiedene Märkte auf. Diese Faktor-Proliferation wird von einzelnen Finanzwissenschaftlern kritisiert, aber die ETF-Industrie hat sich dem Prinzip “smarter” ETFs verschrieben und legt entsprechende ETFs in großem Stil auf. Diese ETFs folgen der Kalkulationslogik von Faktor-Indizes und gewichten die Wertpapiere nicht (oder nicht nur) nach Marktkapitalisierung, sondern nach den als günstig identifizierten Eigenschaften, etwa Value, Growth, Quality oder Momentum.

Als die ETF-Industrie die Verheißung der Outperformance entdeckte

Schnitt: Wir befinden uns im Jahr 2023. In Europa finden sich inzwischen auf der Aktienseite 200 Smart Beta ETFs. Aber wie gut erfüllen diese Produkte ihren Auftrag, besser zu sein als klassische Indizes bzw. aktiv verwaltete Fonds?

Wir haben Strategie ETFs in Europa auf ihre Performance-Qualitäten analysiert und uns auf folgende Aktienstrategien konzentriert: Dividenden, Fundamentals, Growth, Momentum, Multi-Factor, Quality, Risiko-orientiert und Value. Smart Beta ETFs sind keine neue Erscheinung. Der älteste Smart Beta ETF in Europa ist der iShares DivDAX, der im April 2005 aufgelegt wurde und die dividendenstärksten DAX-Aktien zusammenbringt. (Er segelte damals unter der Flagge der Indexchange AG, einer Tochter der HypoVereinsbank, die später an Barclays und dann an BlackRock verkauft wurde.) In den ersten Jahren beschränkten sich Smart Beta ETFs auf Dividendenstrategien. Erst 2007 brachte Invesco sogenannte fundamental investierende ETFs auf den Markt, die von ihrer Tochter Research Affiliates (Rafi) berechnet wurden. Mit der Auflage von Low-Volatility Strategien durch State Street und iShares gewann der Markt für Smart Beta ab 2012 an Dynamik. Aktuell stecken rund 90 Milliarden Euro in Strategie ETFs. Wie schlagen sich die smarten Jungs gegen die große Masse an Fonds und ETFs?

Smart Beta ETFs im Test: Die Performance-Bilanz

Fangen wir mit einem Rendite-Vergleich an. Die untere Tabelle zeigt das Ranking der acht verschiedenen Smart Beta Großgruppen im Vergleich zu den Fonds, die sich in ihren jeweiligen Morningstar Fondskategorien befinden. Die Morningstar-Fondskategorien umfassen gleichermaßen aktiv verwaltete Fonds, herkömmliche ETFs und Smart Beta ETFs. Das Ranking reicht von 1 bis 100. Es gilt das Motto: Je kleiner die Zahl, desto besser die Performance-Bilanz. Beispiel Dividenden-ETFs: 2022 befand sich der durchschnittliche Dividenden-ETF im 64. Performance-Perzentil seiner jeweiligen Kategorie. Das bedeutet, dass er zu den schlechtesten 36 Prozent vergleichbarer Fonds und ETFs zählte. 

Die farbliche rote Markierung der Zellen signalisiert, wann eine “smarte” ETF-Gruppe zur schlechteren Hälfte der Fondskategorie zählt, eine grüne, wann diese ETFs zur besseren Hälfte der Fonds ihrer Kategorie gehörten. Die unterste Zeile zeigt die durchschnittliche Bilanz der herkömmlichen ETFs, die klassische Indizes wie DAX, S&P 500 oder MSCI World abbilden.

Smart Beta ETFs Performance Ranking
Smart Beta ETFs Performance Ranking

Wie aus der oberen Tabelle hervorgeht, haben aus den Smart Beta ETFs in den vergangenen zehn Jahren nur Wachstumsstrategien eine lupenreine Bilanz verzeichnet. Growth-ETFs konnten in jeder der fünf Perioden nicht nur eine überlegene Performance gegenüber den überwiegend aktiv verwalteten Fonds ihrer jeweiligen Kategorie erzielen, sondern ließen auch Standard-ETFs hinter sich. Auch Quality-ETFs konnten in den vergangenen fünf Jahren durchweg überzeugen (keiner dieser ETFs kann eine Zehnjahreshistorie aufweisen). Gemischt ist das Bild bei fundamentalen Strategien, die kurzfristig nicht überzeugen konnten. Nicht überzeugen konnten dagegen Dividenden-Strategien, die nur in der vergangenen Dreijahresperiode zur besseren Performance-Hälfte ihrer jeweiligen Fondskategorie zählten. Auch die Bilanz der ETFs für Momentum, Risiko (Low-Volatility), Multifaktor und Value vermochten war eher schwach. 

Das bringt uns zur untersten Zeile: Standard-ETFs performen solide. Im Schnitt brillieren sie nicht – Standard-ETFs pendeln überwiegend im 40. Performance-Perzentil – aber sie befinden sich im Schnitt in jeder Phase in der besseren Hälfte ihrer Kategorien. 

Es folgt eine etwas andere Deutung der ETF-Performance. Die untere Tabelle drückt die durchschnittliche Out- oder Underperformance der jeweiligen Smart Beta ETFs in Prozentpunkten und pro Jahr gegenüber den Fonds der identischen Kategorien in den vergangenen drei, fünf und zehn Jahren aus. Hier bestätigt sich die oben bereits dargestellte Tendenz. Standard-ETFs konnten in den drei Perioden zuverlässig ihre Kategorien outperformen – in den vergangenen drei Jahren um 1,35 Prozentpunkte pro Jahr, in den vergangenen fünf um 1,15 Punkte und seit 2013 immerhin um 0,76 Punkte.

Smart Beta ETFs Outperformance
Smart Beta ETFs Outperformance

Gemessen in Prozentpunkten stimmt die Bilanz von Value-ETFs etwas gnädiger als in der ersten Tabelle. Das starke Auf und Ab von Wachstumswerten in den vergangenen drei Jahren spiegelt sich in der schwachen Bilanz von Momentum- und Low-Volatility ETFs. Strategien, die nicht so schnell auf abrupte Änderungen im Marktregime reagieren (können), haben Nachteile. Auf den Crash im Frühjahr 2020 folgte der Growth-Aufschwung bis Ende 2021, der im Crash von Wachstumswerten und der Outperformance von Value 2022 folgte, die aber 2023 erneut von einer Erholung von Growth abgelöst wurde.

Smart Beta: Mitunter dümmer als der Markt erlaubt

Knapp 20 Jahre sind Strategie-ETFs nun am Markt, und ihre Bilanz ist nicht besonders beeindruckend, egal, welche Maßstäbe man ansetzt. Gegenüber klassischen ETFs und aktiv verwalteten Fonds konnten nur Growth- und Quality ETFs längerfristig Performance-Vorteile aufweisen. Value, Momentum, Dividenden und Multi-Faktor ETFs konnten dagegen keine Bella Figura machen. Das liegt in der Logik der Sache: In Phasen, in denen Growth und Qualitiy (lies: USA Big Techs mit ihren monströs soliden Bilanzen) outperformen, werden Strategien wie Value oder Dividenden hinten liegen. Allerdings muss man nicht zwingend auf Growth- oder Quality ETFs setzen, um von der darunterliegenden Marktperformance zu profitieren: Auch klassische ETFs weisen ein hohes Exposure an langfristig erfolgreichen Unternehmen auf – die Konzentrationslogik der Marktkapitalisierung lässt grüßen.

Bedenklich dagegen ist die Tatsache, dass Multi-Faktor ETFs nicht überzeugen können. Diese ETFs vereinen verschiedene Strategien unter einem Dach. Das Argument der ETF-Anbieter: Anleger sollten nicht naiv in verschiedene Smart Beta ETF investieren, sondern auf optimierte Misch-Strategien setzen, die von iShares und Co. zusammengestellt werden. Die Ergebnisse der komplexen Optimierungen vermögen bisher nicht zu überzeugen, wie unsere Auswertung zeigt. 

Insofern sollten Anleger diese Produkte als das sehen, was sie wirklich sind: Sie sind keine Weiterentwicklung des Produkts ETF, sondern eine Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle der ETF-Anbieter, die darauf aus sind, ihre Erträge zu steigern. Aktuell stecken 90 Milliarden Euro in Strategie-ETFs. Das klingt nach viel, entspricht aber gerade einmal einem Anteil von sechs Prozent am ETF-Markt in Europa. Eine langjährige Erfolgsgeschichte sieht anders aus.

Download-Tabelle: Die größten 50 Smart Beta ETFs: Konstruktion, Merkmale und Performance:

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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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