Wizz Air Aktie: Bitte anschnallen!

14. Juni 2023

Wizzair Aktie

Wizz Air präsentierte am 8. Juni als letztes Portfoliounternehmen im Emerging Markets Digital Leaders die Zahlen für das abgelaufene Quartal und gleichzeitig die Jahreszahlen für das Ende März endende Geschäftsjahr 2023. Wir analysieren, ob es Anzeichen dafür gibt, dass die leidgeprüfte Aktie jetzt durchstarten kann.

Die ungarische Billigfluglinie hat auch nach dem Ende der Pandemie reichlich Probleme. Nach Beginn der russischen Invasion rächte sich, dass sich die Gesellschaft nicht, wie in der Branche üblich, gegen einen steigenden Ölpreis abgesichert hatte. Dies führte zu erheblichen Verlusten, da die höheren Ölpreise nicht an die Kunden weitergegeben werden konnten. Das soll nicht wieder passieren, die Hedging-Politik wurde entsprechend geändert und 60 Prozent des Verbrauchs sind heute abgesichert.

Als letztes Jahr im Sommer die Kombination aus Reisewelle und Personalmangel Chaos an den Flughäfen (Verspätungen und Flugausfälle) verursachte, fiel die vom Ölpreis gebeutelte Wizz Air durch besonders viele Kundenbeschwerden auf. Die britische Civil Aviation Authority (CAA) notierte mehr als doppelt so viele Beschwerden we bei anderen Fluggesellschaften. CAA nahm kein Blatt vor den Mund: Die Situation sei inakzeptabel und Rückerstattungen seien umgehend vorzunehmen. Wizz reagierte mit der Einführung eines virtuellen Assistenten und gleich vier neuen Call Centern.

Wir hatten bereits letztes Jahr im Juni davor gewarnt: Im November hatte Moody’s die Fluggesellschaft auf Junk (Ba1) herabgestuft. Die Verschuldung hat ein hohes Niveau erreicht und die Risikopuffer sind dünn. Eine weitere unerwartete Krise könnte den Bestand des Unternehmens gefährden.

Wizz Air Aktie – Quartalszahlen

Es wundert angesichts der zahlreichen Missgeschicke eigentlich nicht, dass die Gesellschaft durchwachsene Zahlen gebracht hat.

Dabei lag es nicht am Ausbleiben der Passagiere: Wizz Air beförderte im vierten Geschäftsquartal 12,2 Millionen Passagiere, 59 Prozent mehr als im vierten Quartal 2019, dem letzten „normalen“ Quartal vor Beginn der Pandemie. Die mit durchschnittlich 4,6 Jahren jüngste Flotte Europas expandierte im selben Zeitraum um 26 Maschinen auf 179. Die Kapazitätsauslastung lag bei respektablen 90,3 Prozent. Im Vergleichszeitraum waren es 92,5 Prozent.

Der Marktanteil in Osteuropa lag im abgelaufenen Jahr um fünf Prozentpunkte höher bei 24 Prozent. In den Kernmärkten Ungarn, Polen und Rumänien blieb Wizz Air weiterhin Marktführer. Die Brand Awareness in Osteuropa belief sich laut einer Unternehmensumfrage auf zuletzt 87 Prozent, ein Plus von sieben Prozentpunkten gegenüber der Vorjahrerhebung.

Der Umsatz lag bei 791 Millionen Euro. Das war 111 Prozent mehr als im letzten „Covid-Quartal“ ein Jahr zuvor, aber zwei Prozent weniger als von den Analysten erwartet.

RASK (Revenue per Available Seat Kilometre) lag im abgelaufenen Geschäftsjahr bei 3,98 Eurocent. Auf das Ticket entfielen 2,07 Cents, auf Zusatzdienstleistungen wie zahlungspflichtiges Gepäck, bevorzugtes Einsteigen, Sitzplätze in den vorderen Reihen und Verköstigung waren es starke 1,91 Cents.

Ex Fuel CASK (Cost per Available Seat Kilometre) lag bei 2,59 Eurocent, um rund 16 Prozent höher als vor der Pandemie.

Die EBITDA-Marge lag mit minus zehn Prozent deutlich unter den Erwartungen von +2,4 Prozent.

Die Cash-Position der Gesellschaft betrug 1,53 Milliarden Euro, 250 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Die Nettoverschuldung erreichte 3,36 Milliarden Euro.

Ausblick

Das Management hat einen starken Ausblick für das in diesem Quartal beginnende Geschäftsjahr 2024 gegeben.

Die Expansionskosten der letzten zwei Jahre sollen jetzt Früchte tragen. Die Gesellschaft hat die Pandemie genutzt, um das Streckennetz kostengünstig auszubauen. Während der zwangsverordneten Reisepause war die Verhandlungsposition gegenüber den Flughäfen außerordentlich gut. Vor allem in Italien und den Vereinigten Emiraten werden zusätzliche Flughäfen bedient.

In Italien und Polen wurde außerdem ein Abo für einen Flug im Monat zum Fixpreis eingeführt, in Europa ist das eine Neuheit. Das Angebot soll demnächst europaweit ausgerollt werden.

WizzAir möchte zukünftig auch im Mittleren Osten expandieren. Alleine die Kapazitäten in Abu Dhabi sollen dieses Jahr von 9 auf 16 Flugzeuge verdoppelt werden. Die Gesamtflotte soll gleichzeitig auf 205 Flugzeuge wachsen.

Der Ausblick bleibt stark, die Belegung für das Geschäftsjahr wird zwischen 93 und 95 Prozent erwartet. Das Management erwartet einen stolzen Gewinn von 350 bis 450 Millionen Euro. Das ist angesichts des Verlustes von 535 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr beeindruckend.

Der Turnaround resultiert zum einen aus höheren Umsätzen (400 Millionen Euro), davon 84 Prozent auf existierenden Routen, und zum anderen mit niedrigeren Treibstoffkosten. Die höheren Frequenzen schlagen sich auch bei den Kosten nieder: Ex-Fuel CASK sollen im Vergleich zum vergangenen Jahr dank operativer Verbesserungen, höherer Produktivität der Crews und weniger Kompensationszahlungen als im Debakel-Geschäftsjahr 2023 um 200 Millionen reduziert werden.

Wizz Air möchte aber auch in den nächsten Jahren dynamisch wachsen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll die Gesamtflotte auf 500 Flugzeuge expandieren.

Negativ

Die schlechten Q4 Zahlen reihen sich in den negativen Newsflow der vergangenen Jahre nahtlos ein. Hinsichtlich der Profitabilität liegt Wizz Air aufgrund hausgemachter Probleme am Ende des Feldes.

Positiv

Die mutige Wachstumsstrategie zeichnet sich jetzt aus. Wizz Air ist hinsichtlich der Kapazität unter den europäischen Airlines seit 2019 mit 45 Prozent am stärksten gewachsen und ist mit 13,9 Millionen Sitzen im aktuellen Quartal zur fünftgrößten Airline Europas aufgestiegen. Zum Vergleich: Die Lufthansa liegt mit 14,9 Millionen Sitzen mehr als 20 Prozent unter dem Niveau von 2019 an vierter Stelle.

Die Wachstumsaussichten sind sehr gut. Die junge Flotte ist ökologisch überlegen: Die CO2-Emissionen lagen im abgelaufenen Jahr bei 53,8 Gramm pro geflogenen Kilometer, ein Spitzenwert in Europa.

My Take

Die schlechten operativen Neuigkeiten werden von der strategische Neuausrichtung überlagert:

Der Marktführer Ryanair hat letztes Jahr 1,4 Milliarden Euro verdient, und die Aktie liegt im Gegensatz zur Wizz Air Aktie bereits höher als zu Beginn des Jahres 2020: die Wizz Air Aktie liegt noch um ein Drittel unter den Aktienkursen vor der Pandemie. Aber die Talsohle dürfte jetzt auch bei Wizz Air durchschritten sein.

Die Gewinnerwartung der Analysten für das aktuelle Geschäftsjahr lag am Jahresanfang noch bei rund 400 Millionen Euro. Nach den Quartalszahlen haben die Analysten ihre Schätzungen nicht nur für dieses Jahr, sondern auch für nächstes Jahr deutlich nach oben angepasst. Der Konsens für den Reingewinn in diesem Jahr beträgt nunmehr 500 Millionen Euro. Im nächsten Jahr sollen es sogar über 800 Millionen Euro werden. Für das EBITDA liegen die Erwartungen für dieses Jahr bei 1,2 Milliarden Euro, für das nächste bei über 1,6 Milliarden Euro.

Wenn es also keine neuen Katastrophen für den Flugverkehr gibt, wird sich Wizz Air in den nächsten zwei Jahren entschulden.

Interessant war die Reaktion der Börse auf die Zahlen am Tag der Veröffentlichung: Die Wizz Air-Aktie konnte sich nicht entscheiden, ob sie auf die miserablen Zahlen oder den starken Ausblick reagieren sollte. Nach einem Plus von rund 5 Prozent zum Start stürzte die Aktie im Tagesverlauf um 7 Prozent ab. In den nächsten zwei Tagen hatten wir Investoren offensichtlich Zeit für eine Besinnung: die Aktie handelt aktuell wieder 2 Prozent höher als vor Bekanntgabe der Zahlen.

EV/EBITDA liegt für dieses Geschäftsjahr aktuell bei 6,0 und nächstes bei 4,5. Branchenprimus Ryanair gibt es an der Börse aktuell für 6,9 beziehungsweise 5,3 Mal EBITDA zu haben, die Lufthansa Aktie sogar für nur 3,4 und 3,2 Mal EBITDA. Der vergleichsweise gemächliche Kranich hat allerdings auch ein deutlich bescheideneres Wachstumsprofil.

Die Bewertungen sehen branchenweit nicht teuer aus, der leidgeprüfte Markt scheint der Reisebranche und speziell dem Wizz Air Management noch nicht ganz zu vertrauen. Wenn Wizz Air dieses Jahr nicht wieder enttäuscht, dürfte sich das ändern und die Aussichten für die Wizz Air Aktie positiv sein.

Abonniere hier unseren kostenfreien Newsletter

Disclaimer

EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Wizz Air. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

Picture of Steffen Gruschka

Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

Aktuelle Beiträge

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Beiträge

Tags

Neuste Kommentare

Twitter

Instagram