Apple Event 2022: Überwiegend alter Wein in neuen Schläuchen

9. September 2022

Apple Aktie Apple Event 2022

Am Mittwochabend war es soweit: Apples alljährliche Produktvorstellung mit Kultstatus fand statt. Neben dem neuen iPhone gab es auch eine neue iWatch und neue AirPods zu bestaunen. Doch wie fortschrittlich sind die Neulinge wirklich? Wir haben einen Deep Dive in die Apple Produktwelt 2022 gemacht.  

Rund ein Jahrzehnt ist es her, dass zum Launch der iPhone Generationen 4 und 5 Apple-Fanatiker nächtelang anstanden, um zu den Glücklichen zu gehören und das neue Gadget schnellstmöglich ihr Eigen nennen zu dürfen. Allerdings haben die eher inkrementellen Verbesserungen der letzten Jahre dazu geführt, dass lange Schlangen vor den Apple Stores selten geworden sind.

Jetzt war es wieder soweit: Apple präsentierte im weltweiten Stream die neueste Generation von iPhone, iWatch und AirPods. Wem das 90 Minuten Replay der Präsentation zu lang ist: Als langjähriger Heavy Nutzer aller drei Produkte hatte ich bereits im Vorfeld alle Gerüchte verfolgt und möchte hier beleuchten, welches oder welche der Geräte aus meiner Sicht einen Kauf rechtfertigen – und ob die 2022 Produktpalette neue Killer-Applikationen enthält, die das Apple Ökosystem (lies: Imperium) weiterbringen könnten.

Das iPhone 14: Nicht für jedes Modell eine Buy-Empfehlung

Entwicklung der iPhone Verkäufe seit 2007
Die Entwicklung der iPhone Verkäufe seit 2007

Der Verkaufskurve der letzten Jahre reflektiert, dass sich die Verbesserungen beim iPhone seit 2015 in eher kleineren Schritten vollzogen haben. Das Rekordergebnis von 242 Millionen iPhones im Jahre 2021 verdankt Apple Europa, wo im vergangenen Jahr 56 Millionen Telefone verkauft wurden, 29 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Ich werde zum ersten Mal nicht zu den Käufern gehören, da das iPhone 14 meinem iPhone 12 Pro einfach zu ähnlich ist.

Fangen wir mit der größten Überraschung an: Im Jahr der Inflation erhöht Apple in den USA die Preise nicht – genauer gesagt: fast nicht, aber dazu später mehr. Das moderate Pricing bringt es aber mit sich, dass die meisten iPhone 14 Modelle mit dem A15 Bionic der Chip der 13er iPhone Generation erhalten.

Kommen wir aber zuerst zu den Neuerungen. Das neue iPhone kann auch jenseits des Mobilfunknetzes Leben retten. Über Satellit lassen sich auch dann Nachrichten verschicken, wenn kein Mobilnetz verfügbar ist. In den nächsten zwei Jahren ist diese Dienstleistung kostenlos. Das dürfte vor allem den GPS-Spezialisten Garmin treffen, der für diesen Dienst 15 Dollar im Monat berechnet.

Daneben gibt es auch Verbesserung bei der 12 Megapixel Kamera. Als Hobbyfotograf stelle ich schon seit Jahren fest, dass Android Geräte bessere Kameras haben. Ich habe meine Zweifel, ob sich mit dem Apple Update etwas ändern wird. Die Änderungen bei den Standardmodellen sind insgesamt überschaubar. Ein Upgrade für Besitzer des letzten Modells erscheint nur für diejenigen sinnvoll, die in netzschwachen Gegenden unterwegs sind. Dabei sollte man aber nicht nur an die Antarktis denken, auch Skifahrer jenseits der Piste haben nicht immer Empfang.

Das iPhone Pro hat eine Reihe neuer Features: Der neue A16 Bionic Chip basiert auf 4 Nanometer Technologie und soll laut Apple 40 Prozent schneller sein als die Chips der Konkurrenz. Tatsächlich ist der Chip aber laut ersten Geekbench Tests nur geringfügig schneller als das Vorgängermodell A15, was erklärt, warum Apple den direkten Vergleich in der Präsentation vermieden hat. Auch bei der Batterie ist der Fortschritt übersichtlich: das iPhone 14 hat gerade einmal 3 Prozent mehr Batteriekapazität. Das neue XDR-Pro Display soll im Sonnenlicht mit 2000 cd/m2 im Sonnenlicht doppelt so hell sein.

Dank eines größeren Sensors hat die Kamera jetzt 48 Megapixel. Bei eingeschränkten Lichtverhältnissen werden mittels vierfachem Pixel Binning die Unschärfen reduziert. Dabei werden die Informationen der benachbarten Bildpunkte herangezogen und digital zu Pixelblöcken verrechnet. Auf diese Weise lässt sich mehr Licht einfangen, und die Bilder werden besser ausgeleuchtet. Verbesserungen gibt es auch beim Blitz, der die Lichtintensität jetzt dem Zoom anpasst.

 

Auch das bereits seit einiger Zeit aus der iWatch bekannte Always-on Display finde ich praktisch.

Dynamic Island ist wiederum eine Funktion, die aus der Not des Bereiches um die vordere Kamera eine Tugend macht. Verschiedene Benachrichtigungen und Informationen werden in dem Notch untergebracht, der sich durch Antippen im Einzelfall außerdem zu einer Display-Blase zu Gunsten zusätzlicher Informationen und Optionen erweitern lässt.

Das Maß der Apple-Dinge ist aber das iPhone 14 ProMax mit einer Speicherkapazität von einem Terabyte. Es schlägt allerdings hierzulande mit 2099 € zu Buche, mehr als doppelt so viel wie das Einsteigermodell. Das ist deutlich mehr, als die vergangenen Spitzenmodelle gekostet haben. Es gibt Sie also doch die Apple Preiserhöhungen, aber eben am oberen Ende, wo es den Kommentatoren nicht weh tut. Das macht Apple meines Erachtens nach richtig.

Das Fazit beim Pro: Hardcore Fans und Extremsportler dürften nicht widerstehen können. Dem Rest drängt sich die neue iPhone-Familie nicht auf. Sie können getrost weiter auf ihr älteres iPhone setzen.

Apple Watch (Hold) und Apple Watch Ultra (Strong Buy)

Die Verkaufszahlen des Minicomputers am Handgelenk hat Apple trotz Unkenrufen seit 2015 jedes Jahr stetig steigern können. Im vergangenen Jahr sind es 46 Millionen Stück gewesen.

Die neueste Generation soll mittels genauer Temperaturmessung weiblichen Kunden dabei helfen, ihre Ovulation bestimmen zu können. Das ist mit Sicherheit eine relevante Funktion, allerdings dürfte das für diese Funktion nötige nächtliche Tragen der Apple Watch wohl nicht jederfraus Sache sein. Der Erfolg dieses Features bleibt daher abzuwarten.

Weitere Neuheiten: Das Zusammenspiel verschiedener Sensoren soll einen Autounfall automatisch erkennen und die Einsatzkräfte gegebenenfalls automatisch unter Mitteilung der Geolocation informieren können. Das klingt gut, allerdings erfüllt das neue iPhone diese Funktion auch ohne die Uhr. Daher dürften die meisten Besitzer der aktuellen iWatch-Generation ihrer Uhr treu bleiben.

Innovationshungrige Gadget Fans (also Leute wie ich) werden da eher zur nächsthöheren Kategorie, der Apple Watch Ultra, greifen. Mit ihr wird, wie bereits in der Apple Community erwartet worden war, den Produkten von Garmin der Krieg erklärt.

Wer jemals mit seiner Watch telefoniert hat, wird die verbesserte Lautstärke dank des zweiten Lautsprechers zu schätzen wissen. Wer, wie ich, bereits seine Apple Watch durch relativ harmlose Unfälle ruiniert hat, wird auch die bessere Stoßfestigkeit schätzen. Für Sportler ist die deutlich höhere Auslegung der Batterie auf bis zu 36 Stunden sogar ein Game Changer; mein aktuelles Modell schafft es gelegentlich nicht einmal bis an die Bar um 21 Uhr, wenn sie vorher eine Stunde Dienst im Schwimmbecken verrichten musste.

Die Uhr kann außerdem für viele Sportarten hilfreich sein. Dank Navigation findet man im Gelände den Ausgangspunkt wieder. Außerdem ist ein vollwertiger Tauchcomputer enthalten. In bestimmten Fällen kann die verbaute 86 Dezibel Sirene Leben retten.

Mit 999 € liegt die Ultra nicht  so weit vom Preis der vorherigen iWatch Generationen entfernt – wenn auch nicht zum Preis des Standardmodells. Damit ist sie für mich der bezahlbare Innovation Champion im diesjährigen Apple Line-Up.

AirPods Pro (Hold)

Die zweite AirPods Generation basiert auf dem neuen H2 Chip. Apple verspricht eine deutlich bessere Qualität bei der Musikwiedergabe. Aber auch das Noice Cancelling (Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen) soll jetzt doppelt so viel leisten.

Doch das Gute ist der Feind des Besseren. Ich werde zunächst meine aktuellen AirPods Pro, mit denen ich sehr zufrieden bin, behalten und weiterverwenden. Die meisten Kunden dürften das gleiche tun. Erst wenn diese ersetzt werden müssen, wird die neue Generation zum Zuge kommen.

Resümee und Bewertung

Die neuen Features dürften im Zusammenhang mit den stabilen Preisen den einen oder anderen zum Upgrade bewegen. Das Ökosystem von Apple entwickelt sich weiter, auch wenn der große Quantensprung erneut ausgeblieben ist. Die Preissteigerungen kommen am oberen Ende der Produktpalette, was bei der eher wohlhabenden Klientel durchsetzbar erscheint. Die Kursbewegung der Apple Aktie, die seit dem Event 2022 leicht nachgab, zeigt, dass die meisten Investoren von der neuen Produktgeneration nicht überwältigt waren.

Mit einem KGV von 26 und einem EV/Ebitda von 18 ist Apple nicht günstig bewertet. Mit einem Rule of 40 Wert von 37,5 und einer Bruttomarge von 25,8 % liegt Apple im Mittelfeld der Peer Group der vergleichbaren Technologiegiganten. Allerdings dominiert kein Unternehmen die Digitalökonomie besser.

Wir warten gespannt auf Neuigkeiten zu einem neuen potentiellen Verkaufsschlager: dem Apple Automobil. Vielleicht ist die Existenz eines Autounfall-Warnsystems in der iWatch ja ein Omen. Das iCar würde nach vielen Jahren des Wartens die Hoffnung auf ein beschleunigtes Wachstum bei Apple erheblich beflügeln. Bis dahin müssen wir uns wohl weiter mit kleineren Schritten begnügen.

Apple Aktie Peer Group Vergleich

Disclaimer

The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Apple. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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