Seit einigen Wochen verhandeln sie also die letzten großen Geschäftsbanken Deutschlands.
Man kann darüber nur staunen, zumal kein Mensch bisher einen nachvollziehbaren Grund vorgetragen hat, warum eine Fusion beider sinnhaft sein könnte.
Und auch jetzt, nachdem offensichtlich das Finanzministerium die Zwangsehe forciert hat, ist in Deutschland der seltene Fall eingetreten, dass sich die gesamte Nation quer über alle politischen Lager mal einig ist: Dieser Deal ist Wahnsinn.
Die letzten Handelstage hat auch der Kapitalmarkt die Daumen für Deutsche Commerz gesenkt.
Am Tag der Ankündigung mussten sich offensichtlich Leerverkäufer neu sortieren und die Aktien wieder eindecken was zu einem kurzfristigen Kursanstieg geführt hatte.
Doch jetzt wendet sich das Blatt, und auch die Investoren werden kritischer.
Die Diskussionen um Finanzschreinereien wie „Badwill“ sind ohnehin gefährlich, zumal ein solcher buchhalterischer „Sondergewinn“ für die wichtigste Frage irrelevant ist:
Passt eine solche Fusion in die heutige Zeit?
Wäre eine zusammengelegte Bank im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähiger?
Die Antwort ist ein klares Nein. Hier mein Kommentar dazu.
Inhaltsverzeichnis
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“Deutsche Commerz” – Die Fusion würde bereits an der IT-Infrastruktur scheitern
Viele etablierte Banken sind inmitten eines digitalen Transformationsprozesses.
Ihre Kernbankensysteme, über die sie unter Anderem Zahlungen abwickeln, Konten verwalten, Wertpapiertransaktionen tätigen, stammen noch aus der Vor-Internet-Zeit.
Mit zunehmenden Anforderungen aus dem Business und der Regulatorik ist an ihnen derart herumgedoktert worden, dass sie heute als prächtige Museen für die Technologien der letzten Jahrzehnte herhalten könnten.
Das ist auch bei den beiden Geschäftsbanken in Deutschland nicht anders.
Zwar sind die Systemlandschaften heute offener geworden und viele angebundenen Lösungen mögen State-of-the-Art sein, doch die Implementierungs- und Integrationskosten für neue Anwendungen übertreffen die Kosten für die eigentlichen Lösungen um ein Vielfaches.
Von einer cloudbasierten, offenen und modularen IT-Infrastruktur, von agilen Produktentwicklungsmethoden in der Breite, Devops und Continuous Delivery, von einer auf eigenen IT-Mitarbeitern gestützten Digitalisierung mit dem Aufbau eigenen geistigen Eigentums sind sie noch weit entfernt.
Wobei von außen betrachtet die Commerzbank mittlerweile bei vielen dieser Themen, aber auch bei digitalen Angeboten zur Baufinanzierung, bei Ratenkrediten und Investments der Deutschen Bank im Privatkundengeschäft (Retailbanking) 1-2 Jahre voraus sein sollte.
Auf welche IT-Infrastruktur migriert man die Kunden im Falle einer Fusion? Eine Koexistenz beider wäre dauerhaft nicht bezahlbar.
Wie werden die Beratungs- und Produktprozesse aussehen und damit verbunden tausende von Anwendungen von ebenso vielen Lösungsanbietern.
Allein das Re-Insourcing und Kündigen von outgesourcten Verträgen würde extrem kostspielig.
Das schwierigste wäre aber, die Mitarbeiter davon zu begeistern, Entscheidungen umzusetzen, die vielleicht politisch, aber nicht immer technologisch sinnvoll sind.
Schon beim großangelegten Projekt „Magellan“ in Zusammenarbeit mit SAP ist die Deutsche Bank in 2016 krachend gescheitert.
Wenn man bei den Beteiligten mal nachgefragt hat, so wurden als Gründe genannt: Keine klaren Zielvorgaben beziehungsweise permanente Änderungen der Anforderungen, zu ambitioniert und zu komplex, keine klare Verantwortung, wachsende Distanz des Managements zum Projekt.
Es ist bis heute nicht klar, ob es der Deutschen Bank gelingen wird, die Postbank zu integrieren.
Auch hier ist es mitnichten so, dass es klar wäre, in welche Richtung die Kunden- und Datenmigration zu erfolgen hat.
Eine Integration der Commerzbank ist der Organisation meiner Meinung nach nicht zumutbar.
Auf der “Autobahn” geht wenig voran
Auch außerhalb des Retailbankings wäre ein Urteil über die technologische Verfassung des Unternehmens ernüchternd.
Lange Zeit war die elektronische Handelsplattform “Autobahn”, die das Investment und Global Transaction Banking der DB vorangetrieben hatten, die Benchmark.
Nach der Machtübernahme von John Cryan und der Verantwortung der IT durch Kim Hammonds, ist diese Plattform, ob aus fehlendem Verständnis oder Commitment, regelrecht verwaist, mit der Folge, dass viele wertvolle Mitarbeiter von dannen gezogen sind.
Parallel hat die Konkurrenz massiv in vergleichbare Plattformen investiert, so dass heute die BNP mit „Centric“, Citi mit „Velocity“, JPM mit „eXecute“, Morgan Stanley mit „Matrix“ und UBS mit „NEO“ sich deutlich weiterentwickelt haben.
Die Commerzbank und die Deutsche Bank sind immer noch dabei, ihre IT-Infrastruktur zu entflechten und zu entrümpeln.
Große Visionen sind gut, aber bitte mit kontinuierlich kleinen Schritten, um überhaupt zaghafte Erfolge vorzuweisen.
Ihre Legacy-IT kann heute schon kaum mit den Anforderungen des Geschäftseinheiten mithalten.
Ein episches Projekt wie die diskutierte Fusion würde die operative Funktionsfähigkeit beider Banken gefährden und somit auch das eigentliche Geschäft.
Shared Services ist ein Mythos – Domain-Expertise entscheidet
Der Glaube, dass man über zentrale Serviceeinheiten alle Geschäftsbereiche sinnvoll bedienen kann, hat sich als Illusion erwiesen. In der Realität ist dieser Ansatz gescheitert.
Schon bei Themen wie HR, Legal, Marketing und PR ist er problematisch, bei IT kann er fatale Folgen haben.
Sobald die Distanz der Mitarbeiter zu Kunden, Budget und Management zu groß wird, lässt ihr Beitrag nach.
In unseren acht Erfolgsfaktoren haben wir diesen Aspekt unter dem Begriff “Wertstrom” zusammengefasst.
Auf die Bankenwelt übersetzt heißt das zum Beispiel, dass der Wertstrom “Ratenkredit” von der Produktentwicklung, der Vermarktung und der Distribution, der Kreditentscheidung bis hin zur Abwicklung von Personen verantwortet wird, die dezidiert für den Erfolg dieses Produktes zusammenarbeiten und mit ihrer jeweiligen Domainexpertise den Erfolg dieses Angebotes permanent vorantreiben.
Wie sonst will man in einer Zeit, in der Releasezyklen in wenigen Sekunden stattfinden, konkurrieren.
Übergeordnet gilt das auch für die Geschäftseinheiten.
Im digitalen Zeitalter der Hyperspezialisierung sollte der Trend eigentlich hingehen zu kleinen, fokussierten und wendigen Einheiten, die das Tempo der wachsenden Konkurrenz aus Fintech und Technologieunternehmen mitgehen können.
Verpasste Chancen bei der Direktbanktochter
Es ist kein Zufall, dass die digital führende Tochter (Anteil über 70 Prozent) der Commerzbank in Polen, die mBank, dem Aktiencrash der Banken im letzten Jahr trotzen konnte.
Auch die Comdirect (Anteil der Commerzbank 82 Prozent) hat sich in den letzten Jahren wacker gehalten.
Doch mit mehr Mut und Freiheit für die Töchter hätte die Commerzbank den europäischen Digital- und Direktbankenmarkt aufmischen können.
Siehe Beispiel FinecoBank aus Italien: 2014 entließ die Unicredit ihre Tochter mit einem IPO in die Freiheit und hält heute an ihr nur noch 35 Prozent.
Seither hat Fineco den Aktienkurs nahezu verdreifacht und die Marktkapitalisierung liegt bei knapp EUR 7 Milliarden.
Die Marktkapitalisierung der Commerzbank liegt derzeit bei EUR 8,5 Milliarden, die der Comdirekt bei EUR 1,45 Milliarden.
Das Produktportfolio von Fineco und Comdirekt ist nahezu identisch.
Die Voraussetzungen waren für die Comdirekt nicht schlechter, nur hing sie stets am Pflock der Mutter.
Für The Digital Leaders Fund würde eine unabhängigere Comdirect ein sehr attraktives Investment sein.
Autarke Einheiten sind erfolgreicher: DWS, Deutsche AWM, GTB
Die DWS ist zur führenden Publikumsfondsgesellschaft in Deutschland mit einem Marktanteil von über 20 Prozent geworden, weil sie auch ihre Geschicke eine lange Zeit selbst bestimmen konnte.
Auch wenn sie die Gewinne zum großen Teil nicht investieren, sondern an die Mutter abführen musste.
Auch in der kurzen Lebensspanne von Asset & Wealth Management in der Zeit 2012-2015, in der ich das Privileg hatte, als Mitglied im Senior Management die Entwicklung der „autarken“ Einheit zu begleiten, war der Erfolg bemerkenswert.
Die Mittelzuflüsse im Asset und Wealth-Management zogen deutlich an.
Das Vorsteuerergebnis entwickelte sich sogar von EUR 742 Millionen im Jahr 2013 auf EUR 1,25 Milliarden im Jahr 2015.
Auch das Global Transaction Banking wurde in den Jahren unter Anshu Jains Führung als separate Einheit aufgestellt, weil dieser Geschäftsbereich deutlich stabilere Erträge abwarf als das Investmentbanking.
Es tat der Einheit gut, sie konnte in den Jahren kontinuierlich ihre Erträge steigern.
Nach der Demission von Jain wurde die Einheit eingegliedert in das Corporate und Investmentbanking.
Man kann in den Geschäftsberichten nachlesen, wie traurig sich das Geschäft seither entwickelt hat.
Auch die Eingliederung von Wealth Management in das Privatkundengeschäft muss man im Nachhinein als Desaster bewerten.
Das Geschäft wurde schon immer von den Regionsfürsten entsprechend der Eigenheiten der Kunden gemanagt.
In Asien anspruchsvolles Trading, in Deutschland und zum Teil auch EMEA klassische Vermögensverwaltung in den USA hauptsächlich Leihe.
Mit der Eingliederung in das Privatkundengeschäft haben sich alle Regional Heads verabschiedet.
Oft haben sie wichtige Mitarbeiter, Kunden und Gelder mitgenommen.
Man muss daher zu Recht fragen: Kann und sollte sich die Bank im digitalen Zeitalter eigentlich überhaupt ein „Hightouch-Business“ leisten, also ein Geschäft, das auf Beziehungsmanagement hochbezahlter Mitarbeiter beruht.
Dann sind wir auch gleich schon beim Thema Investmentbanking.
Welche Optionen hat die Deutsche Bank?
Es fällt heute natürlich leicht zu sagen, dass die Deutsche Bank sich hätte vom Investmentbanking trennen müssen.
Aber wann genau wäre der richtige Zeitpunkt gewesen?
Die Exzesse und großen Fehler wurden in der Zeit vor der Finanzkrise 2008 gemacht.
Die Jahre der Aufarbeitung danach unter CEO Josef Ackermann muss man heute als untätige und verlorene Jahre bewerten, in denen praktisch kaum eine Richtungsentscheidung gefällt wurde.
Mit der Entscheidung, am Investmentbanking festzuhalten, war auch die Entscheidung für den CEO-Posten klar.
Das eigentliche Geschäft hier, das vielbeschworene Flow Monster, war der anspruchsvolle Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und strukturierten Produkten.
Und dieses Geschäft beherrschte keiner so gut wie Anshu Jain und ein handverlesenes Team aus den besten Tradern der Industrie.
Mit Anshus Ausscheiden 2015 verließ auch ein Großteil dieses Teams die Bank.
Wenn es einen Zeitpunkt gab, sich aus einem großen Teil des Investmentbankings zu verabschieden, dann war es dieser.
Stattdessen wurde ein Aktien-Mann, nämlich Garth Ritchie an die Spitze dieser Sparte gesetzt, deren Ertragserosion er bis heute nicht stoppen konnte.
Paul Achleitner verkündete weiterhin sein Mantra, dass Deutschland und Europa eine Bank brauchen, die den US-Investmentbanken Paroli bieten müsste.
Dabei möchte man ihm gerne zurufen, dass die Deutsche Bank sich selbst retten sollte und nicht Deutschland und Europa; die kommen im Zweifel auch ohne die Deutsche Bank aus.
Die Deutsche Bank wird es nicht mehr an die Spitze der Investmentbank-Elite schaffen.
Dazu fehlt heute nahezu alles: Geld, Talente, Reputation. Neben einer selbstverschuldeten Verzwergung sind viele europäische Konkurrenten und die amerikanischen Banken ohnehin hoffnungslos enteilt.
Aber vielleicht sind die rosigen Zeiten für Investmentbanken auch vorbei.
Der Aktienkurs von Goldman Sachs gab 2018 um 33 Prozent nach. Die Bank selbst investiert massiv Geld in klassisches Privatkundengeschäft.
Die Deutsche Bank könnte sich stattdessen auf das klassische Corporate Finance, M&A und Firmenkundengeschäft fokussieren, wo sie weiterhin gut aufgestellt ist.
Ein unabhängigeres Global Transaction Banking hätte im globalen Zahlungsverkehrsmarkt, in der Handelsfinanzierung und im Wertpapier-Servicing mit gezielten Investitionen immer noch die Chance, ein globaler Champion zu werden.
Viele Technologieunternehmen wie Paypal und Apple gehören seit Jahren zu den Kunden dieser Einheit.
Die schweizer Alternative zur Großfusion
Wahrscheinlich ist auch der Zug im Wealth-Management abgefahren mit Ausnahme in Deutschland.
Wenn schon eine Fusion, dann sollte man vielleicht das Wealth-Managment der UBS oder Credit Suisse andienen und im Gegenzug das Asset Management der Schweizer in die DWS integrieren.
Beide schweizer Banken legen ihren Fokus auf das Geld von vermögenden Privatkunden, sind in Deutschland bisher gescheitert, und im Asset Management sind beide abgeschlagen.
Mit einer Beteiligung der Deutschen Bank und einer schweizer Großbank an der DWS könnte diese tatsächlich zu einem global ernstzunehmenden Asset Manager aufsteigen.
Vielleicht hätte man dann auch das notwendige Geld, um massiv in die Digitalisierung der Privatkundensparte zu investieren und hier vielleicht sogar eine echte Digitalbank aufzubauen.
Vielleicht sogar zusammen mit der Commerzbank.
Würde man die mBank, die Comdirect, Maxblue und die Norisbank zusammenlegen, so würde ein echter europäischer Champion im Direktbanking entstehen.
Aus der Perspektive der Aktionäre, der Mitarbeiter und auch des Steuerzahlers erscheint mir dieser Weg allemal sinnvoller als eine Notfusion mit der Commerzbank.
Die ING als lachender Dritter
Die bisherigen Bankenkonsolidierungen und Umstrukturierungen in Deutschland kennen nur wenige Gewinner.
Meistens sind es nicht die beteiligten Banken selbst, sondern die Wettbewerber.
Dazu gehören vor allem Direktbanken wie die DKB und natürlich die ING.
Die ING betreut mit etwas mehr als 4.000 Mitarbeitern 9,3 Millionen Kunden in Deutschland. Allein 2018 sind 250.000 Kunden dazugekommen.
Die etwa 22 Millionen Privatkunden der Deutschen Bank und Postbank sowie die circa 13 Millionen Kunden der Commerzbank werden sich nicht einfach auf eine “Deutsche Commerz” Plattform migrieren lassen.
Vor allem aktive Kunden mit hohen Deckungsbeiträgen wechseln.
Schon jetzt ist klar, wer der lachende Dritte einer Solchen Fusion in Deutschland wäre.
Die ING hat im Jahr 2018 in Deutschland einen Vorsteuergewinn von EUR 1,32 Milliarden erwirtschaftet. Das ist mehr als die Commerzbank und Deutsche Bank gemeinsam.
Übrigens ist die ING im Portfolio von The Digital Leaders Fund vertreten. Hier unsere Begründung für das Investment in die ING Groep Aktie.
Autor
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Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
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One Response
Hallo ihr Zwei,
in Deutschland ist unsere ” Elite ” lern resistent. Die gesamten Fusionen gingen in die Hose.
1. Allianz + Dresdner Bank; 2. Dresdner mit Commerzbank; 3. Deutsche Bank + Post Bank; 4. Bayerische Hypo mit Vereinsbank; Vielleicht fehlen in diesem Bereich die richtigen ” Führer” mit Visionen und Weitblick.
Es wird nur noch verwaltet wie bei Beamten.
Grüße und ein Hoch auf alle neuen Fintechs und Fonds mit Visionären