Große Fonds werden im Finanzvertrieb als empfehlenswert ins Schaufenster gestellt. Doch die Realität ernüchtert: Die Größe eines Fonds ist weniger ein Gütesiegel als vielmehr ein Alarmsignal. Warum das Fondsmarketing so krass von der Realität der Anleger abweicht.
Sein Geld am Kapitalmarkt anzulegen, erfordert die Bereitschaft, den Sprung ins Ungewisse zu wagen. Auch wenn die Anlageprofis noch so viel Optimismus über die künftige Performance von Aktien oder Anleihen verbreiten, so weiß am Ende des Tages keiner, welche Richtung die Kurse nehmen werden. Daher versuchen Investoren mit allen möglichen Mitteln, sich Zugang zu optimalen Renditen zu verschaffen. Dabei gibt es gute und weniger gute Ansätze.
Inhalstverzeichnis
- Welche Fonds-Kennzahlen im Vordergrund stehen – und welche nicht
- FvS Multiple Opportunities und DWS Top Dividende: Zwei Giga-Fonds am Markt
- Fonds werden mit steigendem Vermögen schwerfällig
- Was passiert, wenn Fonds zu sehr “reifen”?
- Fondsanbieter mögen die Cashcow Giga-Fonds
- Bei Fonds belohnen Anleger die Heldentaten von Carmignac und Co.
- Fazit: Big is not beautiful
Welche Fonds-Kennzahlen im Vordergrund stehen – und welche nicht
Erfahrene Fondsanleger, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden auf bestimmte Merkmale setzen. Etwa auf günstige Kosten, die Wahl von Anlageregionen (etwa USA vs. Europa), von Sektoren (Technologie versus zyklischer Konsum), Standardwerte versus Nebenwerte, Markttechnik versus Fundamental-Research, Fondsmanager versus Index. Und so weiter und so fort. Oftmals kombinieren sie auch verschiedene Datenpunkte auf der Suche nach Outperformance.
Interessanterweise zählt die Fondsgröße faktisch zu den wichtigsten und gleichwohl zu den am seltensten hervorgehobenen Faktoren, die Anleger in Betracht ziehen. Glaubt man den Vertriebsprofis, dann ist die Größe des Fonds ein Gütesiegel. Und es ist ja auch ein griffiges Argument, das so oder ähnlich formuliert wird: „Investieren Sie in diesen Fonds, das haben Hunderttausende von Anlegern auch schon getan!“.
Doch ist das so? Greift hier das Phänomen der Schwarmintelligenz? Diesen wichtigen Aspekt der Fondsanlage wollen wir heute vertiefen. Fangen wir exemplarisch mit zwei sehr großen Fonds als Ausgangspunkt der Überlegung an: dem Flossbach SICAV Multiple Opportunities und dem DWS Top Dividende. Hier handelt es sich um zwei der beliebtesten Fonds am deutschen Markt.
FvS Multiple Opportunities und DWS Top Dividende: Zwei Giga-Fonds am Markt
Fondsmanager Bert Flossbach hat mit seinem flexiblen Mischfonds FvS Multiple Opportunities über die Jahre eine beachtliche Erfolgsbilanz aufgebaut. Mit seinem Aktien-nahen Fonds hat er es geschafft, an entscheidenden Wendemarken an den Märkten richtige Asset Allocation Entscheidungen zu treffen; DWS-Dividenden-Experte Thomas Schüssler gilt wiederum als ein knochentrockener Anleger mit einem stark ausgeprägten pessimistischen Weltbild, der nur in die solidesten, ausschüttungsstarken Unternehmen investiert. Sein Fonds gilt deshalb als solides Basisinvestment für weite Teile der eher Aktien-skeptischen deutschen Anlegerschaft.
Der Flossbach-Fonds bringt gut 24,5 Milliarden Euro auf die Waage, der von Schüssler verantwortete Dividenden-Fonds kommt auf knapp 18 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren war der FvS SICAV Multiple Opportunities noch knapp 600 Millionen schwer; der DWS Top Dividende brachte es im Herbst 2011 auf ein Vermögen von knapp sechs Milliarden Euro. Beide Fonds werden seit Jahren bei Banken und Finanzdienstleistern offensiv beworben – und mit viel Anlegergeld bedacht. Das hat das Fondsvermögen stark anschwellen lassen. Doch sind die beiden Fonds in den vergangenen Jahren auch besser geworden?
Die untere Grafik lässt zumindest Zweifel aufkommen, dass die (wachsende) Fondsgröße ein Gütekriterium ist. Wir haben die rollierenden 12-Monatsrenditen seit 2011 relativ zum jeweiligen Fonds-Index Monat für Monat abgetragen. Auch wenn die Kurven mitunter stark fluktuieren, zeigt die Trendlinie, dass beide Fonds tendenziell gegenüber ihren Benchmarks an Boden verlieren.
Volatile relative Performance mit Trend nach unten:
Mit anderen Worten: Der FvS SICAV Multiple Opportunities zeichnet sich in der jüngsten Vergangenheit weniger stark gegenüber einer Aktien-Renten-Benchmark aus als in der Vergangenheit. Auch der DWS Top Dividende fällt in den letzten Jahren gegenüber seinem Dividenden-Aktien-Index zurück.
Natürlich kann es bloßer Zufall sein, dass die beiden Milliarden-Tanker im Verlauf der Jahre eine schwächere Performance gegenüber ihren Indizes zeigen. Allerdings lässt sich Untersuchungen entnehmen, dass mit steigendem Vermögen Fonds schwerfälliger werden und an Performance-Potenzial einbüßen.
Fonds werden mit steigendem Vermögen schwerfällig
Bereits im Jahr 2002 kam eine empirische Untersuchung zum Schluss, dass eine stark negative Korrelation zwischen dem Alter von Fonds und den von ihnen erzielten Renditen bestehe. Als ein Grund wurde das steigende Fondsvermögen ins Spiel gebracht, wobei an der Stelle keine weitere Ursachenforschung betrieben wurde.
Einen systematischen Zusammenhang zwischen dem Lebenszyklus von erfolgreichen Fonds und einer wechselvollen Performance ermittelte eine Untersuchung zum US-Fondsmarkt im Jahr 2011. In der Studie wurde der Zyklus von Geschäftsmodellen für die Fondsebene operationalisiert. Demnach durchlaufen Fonds folgende Phasen: Incubation, High-Growth, Low-Growth, Maturity, Decline.
In den ersten Phasen des Lebenszyklus‘ eines erfolgreichen Fonds sei die Performance wegen der konzentrierten Strategie überdurchschnittlich gut, was hohe Zuflüsse zur Folge habe. Das Wachstum der Assets setze sich auch dann fort, wenn die Investment-Opportunitäten abnähmen. Beim Übergang von der High- zur Low-Growth-Phase zehren Fonds also vom Vergangenheits-Erfolg, ohne dabei von Anlegern abgestraft zu werden.
Was passiert, wenn Fonds zu sehr “reifen”?
Erreicht ein Fonds seine „Maturity“-Phase lasse die Performance mit steigendem Fondsvermögen nach. Die Strategie verändere sich; Investment-Optionen der Vergangenheit fielen aus, und neue Optionen seien eine Funktion des steigenden Vermögens und damit weniger renditeträchtig.
In der „Decline“-Phase wird die sich verschlechternde Performance begleitet von Mittelabflüssen. Anleger erkennen, dass die Fondsstory einen „Knick“ bekommen hat. Als Reaktion wenden Anbieter in dieser Phase oftmals „Verjüngungsmaßnahmen“ ein, um den Erfolg der Vergangenheit (bzw. das hohe Fondsvermögen) zu konservieren.
(Interessanterweise konnte die Studie keinen systematischen Zusammenhang zwischen diesen Reanimationsmaßnahmen und eine Rückkehr ehemaliger Stars zum Erfolg ermitteln – schlechte Nachrichten also für die Produktmanager in den Fondsgesellschaften!)
Wir wollen an dieser Stelle jedoch keine akademische Debatte führen, sondern möglichst viel Nutzwert für Anleger ermitteln. Wenn die Wissenschaft einen nachteiligen Zusammenhang zwischen Fondsvermögen bzw. Fondsalter und Performance-Eigenschaften für US-Fonds ermittelt, wie sieht die Realität in Europa aus?
Fondsanbieter mögen die Cashcow Giga-Fonds
Halten wir zunächst jedoch fest, dass Fondsanbieter ein großes Interesse daran haben, ihre Fonds möglichst groß zu machen. Denn die Erträge der Fondshäuser werden als Prozentsatz des verwalteten Vermögens bestimmt. Wenn also ein Fonds eine Verwaltungsgebühr von 1,5 Prozent erhebt, dann bringt er der Fondsgesellschaft bei einem Vermögen von 20 Milliarden Euro einen Ertrag von 300 Millionen Euro jährlich. Ist der Fonds nur 20 Millionen groß, bringt er der Fondsgesellschaft nur 300.000 Euro. Das ist der Grund, warum nur die allerwenigsten Fondsanbieter den Vertrieb eines Fonds einstellen oder beschränken, wenn er ein bestimmtes Vermögen erreicht hat.
Bei Fonds belohnen Anleger die Heldentaten von Carmignac und Co.
Wir haben einen kleinen Test gemacht und die Performance-Bilanz der größten Fonds in Europa der vergangenen 15 Jahren ermittelt. Viele Anleger werden sich an Namen wie den Fidelity European Growth, Carmignac Patrimoine, Templeton Global Bond, BGF Global Allocation oder PIMCO Income erinnern. Diese Fonds waren für eine gewisse Zeit die größten Fonds am europäischen Markt. Wie ist die Erfahrung der Investoren mit diesen Fonds ausgefallen, bevor sie so richtig groß wurden; und wie war sie, nachdem sie die größten Fonds Europas geworden waren?
Um das zu messen, setzen wir die Performance der Giga-Fonds ins Verhältnis zur Kategorie-Benchmark, die das Fondsresearch-Haus Morningstar den Fonds am Markt zuweist. Dabei vergleichen wir die (relative) Performance jedes Fonds in den fünf Jahren bevor er zum größten Fonds Europas avancierte mit der (relativen) Performance in den fünf Jahren danach.
Die Ausgangsfrage lautet: War die Performance in den Jahren, bevor die Fonds zum größten aktiv verwalteten Anlagevehikel wurden, dazu angetan, Anleger anzulocken? Die zweite Frage folgt auf dem Fuß: Wie hat sich der Fonds entwickelt, nachdem er sich an der Spitze des europäischen Fondsmarkts etabliert hatte?
Die obere der beiden Tabellen zeigt zunächst den Zeitpunkt, an dem die Fonds die größten Europas wurden. Dabei führen wir auch das Fondsvermögen zu dem Zeitpunkt auf und wie es sich fünf Jahre später darstellte. Bei den meisten Fonds fällt auf, dass das Vermögen fünf Jahre nach dem Tag X deutlich gesunken war. Was war passiert?
Die Fonds-Vermögens-Champions und was aus ihnen fünf Jahre später wurde:
Kommen wir zur Performance-Bilanz der Fonds. In der unteren Tabelle findet Ihr neben Fondsnamen und Fonds-Kennzahl ISIN weiter rechts die Information, wann der betreffende Fonds der größte am Markt war. Die zweite Spalte von rechts zeigt die relative Rendite (in Punkten, pro Jahr) des Fonds gegenüber dem Kategorie-Index in den fünf Jahren, bevor er zum größten Europas wurde. Die Spalte auf der rechten Seite der Tabelle zeigt dann die relative Rendite des Fonds in den fünf Jahren, nachdem er zum größten Fonds Europas avanciert war. Die Kolorierung der Zellen der beiden rechten Spalten zeigt, ob eine Outperformance (grün) oder Underperformance (rot) vorlag. Die blau eingefärbten Zellen sagen aus, dass die Ex Post Performance noch keine Fünfjahreshistorie hat.
Giga-Fonds ohne Giga-Performance:
Zwischen Januar 2006 und April 2007 war der Fidelity European Growth der größte Fonds am Markt in Europa. In den fünf Jahren bis Januar 2006 konnte der Fonds seine Benchmark um jährlich sensationelle 6,9 Prozentpunkte pro Jahr outperformen. Darin spiegelt sich das glückliche Händchen des damaligen Managers Graham Clapp wider, der es schaffte, den Fonds unbeschadet durch die Technologie-Baisse zwischen 2000 und 2003 zu steuern. Das brachte ihm Heldenstatus ein und hatte massive Zuflüsse in den Fonds zur Folge. In der Spitze waren rund 24 Milliarden Euro in den Fidelity European Growth investiert.
Der Kontrast zu den fünf Jahren nach dem Erklimmen des Fonds-Olymps könnte nicht größer sein. In den fünf Jahren ab Januar 2006 lag der Fonds jedes Jahr um 0,24 Prozentpunkte hinter der Benchmark.
Der Fidelity European Growth ist längst kein Einzelfall. Bei so gut wie allen Fonds fiel die Performance massiv ab, nachdem sie zu den größten Produkten in Europa avanciert waren. BGF World Mining, Invesco UK Equity High Income UK, Templeton Global Bond: Überall war die Performance nach Erreichen von Rekordvermögenswerten deutlich schwächer als auf dem Weg dorthin.
Besonders krass war der Vorher-Nachher-Unterschied beim Carmignac Patrimoine. Der Fonds schaffte im Jahr 2008 das Kunststück, kein Minus zu machen, einem Jahr, in dem Aktien- und Mischfonds zweistellige Verluste hinnehmen mussten. Wie das im Jahr 2003 bei Graham Clapp erging es Edouard Carmignac im Jahr 2009: Er wurde zum Held der Anleger-Performance. Dieses Ergebnis floss in die Outperformance von 6,98 Prozentpunkten bis Mai 2009 ein und war Teil des Mythos dieses Mischfonds. Dagegen fiel der Fonds zwischen 2009 und 2014 weit hinter die Benchmark zurück – in den fünf Jahren nach Mai 2009 lag der Fonds um 5,29 Prozentpunkte pro Jahr hinter einer Aktien-Anleihen-Benchmark. Erstaunlicherweise tat dies dem Fonds zunächst keinen Abbruch – er wuchs auch dann stark weiter, nachdem er bereits erkennbar zu schwächeln begonnen hatte. Erst nach 2015 setzten dem schwächelnden Fonds massive Mittelabflüsse zu.
Ironischerweise war der einzige Fonds, der nach der Krönung als größter Fonds Europas eine bessere Performance erzielte als auf dem Weg dorthin, für Anleger hierzulande vollkommen irrelevant: Der Pictet Global Utilities wurde zwar in Europa aufgelegt, aber er wurde ausschließlich in Asien vertrieben.
Fazit: Big is not beautiful
Es ist an der Zeit, dass Anleger die Fondsgröße als wichtigen Faktor bei der Fondsauswahl stärker einbeziehen als bisher. Fondsanbieter sind incentiviert, das Vermögen ihrer Fonds wachsen zu lassen, da ihre Erträge proportional zum Fondsvermögen steigen. Auch wenn manche Strategien durchaus ein Milliarden-Vermögen vertragen können, ohne, dass dies ihren Anlageerfolg beeinträchtigt, ist bei jedem Fonds irgendwann die Kapazitätsgrenze erreicht. Ab dann wird er schwerfällig und seine Erfolgsprognose sinkt rapide.
Es ist bedauerlich, dass die meisten Fondsanbieter ihre Anleger über diese Gefahr im Unklaren lassen. In Deutschland schweigen sich gerade die großen Konzerne darüber aus, wann das Kapazitäts-Limits ihrer Strategien erreicht sind. In angelsächsischen Ländern ist das dagegen Standard.
Unser Beispiel zeigt, dass Giga-Fonds irgendwann zu dick zum Laufen wurden. Ist der „Tipping-Point“ überschritten, droht eine schmerzliche Underperformance – auch bei Strategien, die eigentlich unverdächtig erscheinen. Anleger sollten sich deshalb im Zweifel gegen die offensiv vermarkteten Giga-Fonds am Markt entscheiden. Einen Vorteil bietet ja der wuselige europäische Fondsmarkt: Er ist so groß, dass Anleger nicht auf die Tanker der großen Konzerne angewiesen sind. Auch ohne die Dickschiffe haben Anleger die Qual der Wahl und leiden nicht unter einem Mangel an Anlage-Alternativen.
Disclaimer
Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
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3 Responses
Es gibt als weiteres Problem kaum Fonds die bereits seit Dekaden existieren mit denen ein heute älterer Investor eine langjährige buy-and-hold – Strategie bereits in jungen Jahren hätte durchführen können neben dem fehlenden Wissen um die Sinnhaftigkeit einer solchen Anlage. In Deutschland sind die Allianz – Fonds Fondak (1950), Industria (1955) sowie Concentra (1959) wohl die ältesten Publikumsfonds. Dies unabhängig davon daß es früher kaum verbreitet war eine klassische Portfolioallokation mit Aktien- und Anleihenanteil durch wenige Aktien- und Anleihenfonds abzubilden so wie dies heute mit ETF´s geschieht. Anstatt dessen wurden fast durchwegs Aktien als Einzelwerte sowie einzelne Anleihen verschiedener Emitteten erworben.
Bei welcher Summe ist die Kapazitätsgrenze des DLF erreicht? 🙂
Da wir in Unternehmen investieren ab Marktkapitalisierung 1 Mrd. Dollar, haben wir noch sehr viel Platz nach oben. Entscheidend ist, dass wir im Ernstfall in ein zwei Tagen alle Werte liquidieren können. Aktuell können wir 95% des Portfolios ohne großen Einfluss auf die Kurse liquidieren. Zum Vergleich: Ein bekannter ETF einer amerikanischen Fondsmanagerin braucht mehr als 20 Tage.