Vor einem halben Jahr haben wir erstmals die Inbound-Marketing-Plattform HubSpot in unser Portfolio aufgenommen und die Hubspot Aktie hier im Blog vorgestellt. Der Kurs betrug damals circa 160$, die Auswirkungen des Corona-Virus waren noch kein Thema.
Unser Timing war zunächst unglücklich, die HubSpot Aktie ist im Corona-Crash im März 2020 kurzzeitig bis auf 105$ zurückgefallen. Zuletzt hat sie sich im Zuge einer atemberaubenden Rallye der SaaS-Aktien (Software-As-A-Service) in nur 3 Monaten im Wert verdoppelt und aktuell sogar einen neuen historischen Höchstkurs bei 220$ erreicht.
Ist dieser Kursanstieg der HubSpot Aktie durch die Entwicklung im Unternehmen überhaupt gerechtfertigt? Oder ist HubSpot sogar ein bisher unbeachteter Gewinner der Corona-Krise?
Mit diesem Beitrag wollen wir versuchen, einige Hintergrundinformationen zu den spannenden Entwicklungen bei HubSpot zu geben.
Inhaltsverzeichnis
Die aktuellen Geschäftszahlen
Seit unserem initialen Beitrag zu HubSpot vom Januar 2020 hat das Unternehmen nicht nur die Ergebnisse für 2019, sondern auch schon erste Zahlen für das Abschneiden in der Corona-Krise vorgelegt.
2019 konnte, wie erwartet, sehr erfolgreich abgeschlossen werden. Der Umsatz stieg um 32 Prozent auf $675 Millionen, davon sind über 95 Prozent wiederkehrende SaaS-Subskriptionen (Software as a Service). Die Bruttomarge stieg auf 82 Prozent, und es wurde ein Free Cashflow von $65 Millionen erzielt.
Das Q1 2020 war dann schon etwas von den Auswirkungen der Corona-Krise gekennzeichnet. Der Umsatz stieg im Q1 zwar noch fast unverändert um 31 Prozent auf $199 Millionen (währungsbereinigt waren es 33 Prozent, davon 96 Prozent Subskriptionen). Auch die Billings waren mit währungsbereinigt +32 Prozent genauso stark wie in der Vorquartalen.
Aber der Free Cashflow sank deutlich von über $30 Millionen im Vorjahr auf nur noch $7 Millionen. Der Grund war u.a. die finanzielle Unterstützung, die HubSpot seinen Vertriebspartnern in der Corona-Krise in Form von großzügigen Konditionen und Zahlungszielen hat zukommen lassen. Dementsprechend stieg der operative Verlust (nach GAAP) bei HubSpot im Q1 von $9 Millionen auf $14 Millionen.
HubSpot verfügte zum 31. März 2020 über einen Cashbestand von circa $1 Milliarde und war damit auch dank einer bis 2022 laufenden Wandelanleihe sehr komfortabel finanziert. Dennoch hat man Anfang Juni 2020 eine neue bis 2025 laufende Wandelanleihe über $460 Millionen ausgegeben. Die Konditionen sind mit einem Zinssatz von 0,375 Prozent und einem initialen Wandlungspreis von über 280$ pro Aktie günstig. Die Verwässerung für die Aktien soll wie in solchen Fällen üblich begrenzt werden. Aber ich frage mich dennoch: was hat das Unternehmen mit so viel Geld in der Kasse vor? Für das operative Geschäft und für die Rückzahlung der alten Anleihe werden solche Summen jedenfalls nicht benötigt.
Ich tippe darauf, dass sich HubSpot damit erstmals in seiner Firmengeschichte u.a. auch auf größere Übernahmen vorbereiten will. Ein solcher Schritt hin zum auch „anorganischen Wachstum“ wird von den meisten Analysten ja sehr positiv dargestellt, aber ich bin diesbezüglich von der Grundhaltung eher skeptisch. Hoffentlich steht da nicht eine Übernahmeschlacht bevor, bei der dann angesichts des billigen Geldes überhöhte Preise gezahlt werden. Aber lassen wir die Spekulation sein und warten es einfach ab.
Die Anzahl der aktiven Kunden wurde von HubSpot zum Ende des Q1 mit 78.776 angegeben. Im Q1 ist damit die Kundenbasis um circa 5.300 Kunden angewachsen. Das ist eine Rekordzahl von Neukunden und ein toller Erfolg angesichts des im März sehr schwierigen Umfeldes.
Weniger gut entwickeln sich in der Corona-Krise die Umsätze mit den Bestandskunden. Die „Revenue Retention Rate“ sank von über 100 Prozent auf nur noch knapp über 90 Prozent im März und wird im Q2 weiter zurückgehen, da viele Kunden ihre Subskription in Zeiten knapper Kassen „downgraden“ und in der Krise mit weniger Funktionalität auskommen.
Guidance für 2020
Die initiale HubSpot Guidance für 2020 sah vor der Corona Pandemie einen Umsatz von circa $842 Millionen beziehungsweise ein Wachstum um 25 Prozent. Mit Vorlage der Zahlen zum Q1 hat das Management seine Erwartungen an 2020 angesichts der unsicheren Lage in der Corona-Rezession zurückgenommen. Nun erwartet man nur noch ein Umsatzwachstum von knapp 20 Prozent auf $805 Millionen.
Aber auch diese Wachstumsraten sind wie fast überall derzeit mit größeren Unsicherheiten behaftet. Damit müssen wir Investoren jetzt und auch noch in absehbarer Zeit leben. Umso erstaunlicher ist es, dass sich diese Unsicherheiten nicht in Abschlägen beim Aktienkurs ausgedrückt haben. Aber das ist ein Phänomen, das fast alle SaaS-Aktien mehr oder weniger betrifft.
Viel wichtiger als das kurzfristige Herumstochern im Corona-Nebel finde ich persönlich die klare Kommunikation eines langfristigen Finanzplans, an dem sich das HubSpot Management jetzt und in Zukunft messen lässt.
Interessant ist, dass man den langfristigen Zielkorridor einer Bruttomarge von 81-83 Prozent bereits heute erreicht hat.
Auch bei den allgemeinen Verwaltungsaufwendungen (G+A) liegt man angesichts einer 10 Prozent Kostenquote schon im Soll – ein klarer Hinweis darauf, dass das Unternehmen auch bisher schon schlank und kosteneffizient aufgestellt wurde. Mir gefällt das. Zu viele Unternehmen in einer ähnlichen Phase ihres Lebenszyklus schleppen G+A Kostenquoten von 20 Prozent oder mehr mit sich rum und tun so, als sei das in der Wachstumsphase kein Problem. Mir ist das immer ein Dorn im Auge.
Selbst der Entwicklungsaufwand ist mit einer 19 Prozent Kostenquote nicht weit vom Zielkorridor (16-18 Prozent) entfernt.
Anders betrachtet heißt das, die langfristig avisierte operative Marge von 20-25 Prozent soll hauptsächlich dadurch erreicht werden, dass die Vertriebs- und Marketingorganisation mit steigendem Umsatz immer besser skaliert und sukzessive von der heutigen 46 Prozent Kostenquote auf 30-35 Prozent sinken soll.
Das ist ein realistischer Plan. Denn im Laufe der Zeit wird der Anteil der Neukunden erheblich zurückgehen. Auf der anderen Seite steigt der Anteil der Software-Renewals, also die Vertragsverlängerungen mit Bestandskunden, immer weiter an. Diese Renewals sind von den Vertriebskosten her wesentlich günstiger als die Gewinnung von Neukunden.
Das ist also alles sehr plausibel und recht gut prognostizierbar.
Nicht vorherzusehen ist in Zeiten von Corona allerdings der Zeithorizont, in dem diese Ziele erreichbar sind. Wir werden daher genau beobachten müssen, inwieweit die Kostenquoten sich in diese geplante Richtung entwickeln.
Rückenwind durch Corona?
Der HubSpot-CEO Brian Halligan hat im letzten Analystencall mehrfach darauf hingewiesen, dass sein Unternehmen nicht nur negativ durch Corona beeinflusst wird. Denn der ohnehin vorhandene Megatrend in Richtung Online-Marketing wird dank Corona nun wesentlich beschleunigt.
Während die Zukunft von Offline-Marketing-Maßnahmen in Pandemie-Zeiten kaum planbar ist, verändern viele mittelständische Unternehmen ihren Marketing-Mix in Richtung Online, das heißt sie verstärken ihre Bemühungen in Richtung Content Marketing, Social Media Marketing und E-Mail-Marketing. All diese Kunden benötigen sowohl ein CRM-System (Customer Relationship Management) als auch eine Marketing-Automation-Software und HubSpot ist mit seiner Produkt-Suite dafür perfekt positioniert.
Allerdings starten die meisten Neukunden mit minimalem finanziellen Aufwand mit einer kleinen HubSpot Starter-Subskription. Der durchschnittliche Umsatz pro Kunde dürfte in den kommenden Quartalen damit deutlich unter Druck geraten.
Der Frontalangriff auf WIX und WordPress
Im April 2020 stellte HubSpot mit dem neuen CMS (Content-Management-System) ein Konkurrenzprodukt zu den Website-Baukästen wie WIX oder WordPress vor. Neben den Tools für Marketing-Automation, für Vertriebssteuerung und für den Kundensupport ist das CMS nun der vierte sogenannte „Hub“ in der HubSpot Produkt-Suite.
Die Expansion in das Thema CMS hinein ist für HubSpot sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus Kundensicht sinnvoll. Denn im Mittelpunkt jeder Inbound-Marketing-Strategie steht zunächst einmal eine Website.
Oftmals ist z.B. ein Web-Blog ideal geeignet als Basis für das Content Marketing auf dem strategisches Inbound-Marketing aufbauen kann. Bisher mussten die Marketing-Automation-Tools von HubSpot immer integriert werden in eine z.B. mit WordPress oder WIX erstellte Website. Wenn es nach den Verantwortlichen von HubSpot geht, so entfällt diese Integrationsarbeit zukünftig. Der Kunde kann nun alles aus einer Hand von HubSpot bekommen.
Bleibt die Frage, ob beziehungsweise wann HubSpot mit der Funktionalität des neuen CMS Hub im Vergleich mit den etablierten Webseiten-Bauern mithalten kann. Ich selbst habe das neue CMS Hub getestet und bin zumindest auf den ersten Blick positiv überrascht. Das Produkt macht einen erstaunlich reifen Eindruck und besticht wenig überraschend durch die nahtlose Einbindung der dem Wettbewerb überlegenen HubSpot-Marketing-Tools. Gerade die Administratoren der unzähligen in die Jahre gekommenen WordPress Installationen weltweit dürften da jetzt ganz genau drauf schauen.
Sehr gespannt bin ich, wie sich die Wettbewerbssituation zwischen WIX und HubSpot entwickelt. Denn unser ehemaliger Portfoliowert WIX kommt ja aus dem CMS-Bereich und will sich mit zahlreichen neuen Tools im Laufe der Zeit in Richtung der HubSpot-Domäne Marketing-Automation bewegen.
Allerdings sprechen beide Unternehmen zumindest derzeit noch unterschiedliche Kundensegmente an. Während WIX mit seinen Self-Service-Tools schon für wenige Euro pro Monat auch für Freiberufler problemlos bezahlbar ist, dürfen HubSpot-Kunden deutlich ambitionierter sein und sollten ein wesentlich höheres Budget für ihre Software-Subskription einplanen. Der durchschnittliche Umsatz mit einem HubSpot-Kunden liegt nicht zufällig bei circa 10.000$ p.a., während WIX-Kunden für eine Subskription im Durchschnitt weniger als 200$ p.a., bezahlen.
Bewertung der HubSpot Aktie
HubSpot wird wohl in 2020 organisch nicht so schnell wachsen können, wie wir uns das vor der Corona-Krise erhofft haben. Dennoch ist die Aktie seit Jahresbeginn um über 35 Prozent teurer geworden. Das EV/Sales-Verhältnis beträgt für 2020 damit nun mehr als 11.
Das ist zwar nicht ganz so abgehoben wie bei anderen SaaS-Werten, aber auch ein stolzer Preis für ein Unternehmen, das in 2020 gerade mal um 20 Prozent wachsen will und seine Guidance für 2020 zurücknehmen musste. Die HubSpot Aktie ist wie viele andere SaaS Aktien auch damit akut rückschlagsgefährdet.
Für uns ist HubSpot dennoch weiterhin eine langfristige Halteposition. Wir gehen davon aus, dass sich das profitable Wachstum nach Bewältigung der Corona-Rezession wieder beschleunigen kann.
Wenn HubSpot seinen oben skizzierten Finanzplan erfolgreich umsetzt, so sollte das Unternehmen in 5 Jahren deutlich mehr wert sein als der aktuelle Enterprise Value von $9 Milliarden. Abzuwarten bleibt, wie HubSpot in den kommenden Quartalen das viele Kapital allokieren will, welches aktuell als Cashreserve in der Bilanz schlummert.
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DISCLAIMER
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Hubspot. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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2 Antworten
Hallo Stefan,
Gratulation zum erneuten All-Time-High einer Aktie. Bei dem Homepagebaukasten wäre ich eher vorsichtig: 36% aller Webseiten nutzen in zwischen WordPress. Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass es kostenlos ist. Inzwischen ist es aber auch ein sehr reifes CMS mit einer riesigen Entwicklergemeinde. Hier dürfte es jeder Angreifer schwer haben!
Hallo Thomas,
der Angriff von HubSpot auf WordPress besteht nicht darin, der Welt zu beweisen, dass man die bessere CMS-Funktionalität bieten kann. Das ist zumindest derzeit sicher nicht der Fall (zumindest von der Tiefe der Funktionalität her). Aber es hat seinen Charme, wenn ein Hersteller wie HubSpot vieles (CRM, Marketing-Automation, Kundensupport und CMS) aus einer Hand und voll integriert in einer einzigen Produktsuite anbieten kann. Das spart eine Menge Integrations- und Wartungsaufwand.