Wirecard: 3 Lektionen für Deine Aktien-Anlagestrategie

19. Juni 2020

Wirecard Aktien Anlagestrategie - inspirierendes Zitat - Vergiss den Fehler, erinnere dich an die Lektion

Aller guten Dinge sind drei, könnte man sagen. Nachdem wir Wirecard bereits in 2018 mit „Der Zweifel ist dein bester Freund„, in 2019 mit „Wachstum steigt, Zweifel bleibt“ und Anfang 2020 noch einmal mit „Wirecard ist eine Dauerwette auf die Glaubwürdigkeit des Managements“ kommentiert haben, ist gestern das Pulverfass explodiert.

Wir wurden seit dem Start unseres Fonds immer wieder darauf angesprochen, warum wir mit The Digital Leaders Fund nicht in Wirecard investiert seien. Immer wieder haben wir erklärt, warum Wirecard für uns nicht investierbar ist.

Die Wirecard Aktie hat seit gestern knapp 80 Prozent ihres Wertes verloren und damit mussten viele Kleinanleger genauso wie etliche Finanzprofis einen herben Verlust einstecken.

Der Grund: Der Abschlussprüfer von Wirecard hat darüber informiert, dass über die Existenz von Bankguthaben in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren.

Die tragische Geschichte rund um das Unternehmen hat Baki bereits in den vergangenen drei Artikeln zu Wirecard aufgearbeitet. Ich möchte mit diesem Beitrag zusammenfassen, was ihr aus diesem Drama für die eigene Aktien-Anlagestrategie lernen könnt.

The Digital Leaders Fund Coverage zu Wirecard im Überblick
Wir hatten unsere Zweifel an Wirecard und berichteten seit 2018 drei mal hier im Blog zu dem Unternehmen.

Lektion 1 – Lieber einmal mehr hinschauen

Du solltest mit einer gesunden Portion Misstrauen an die Aktienanalyse herangehen. Besonders wenn die Unternehmens- und Bilanzkennzahlen „zu gut sind, um wahr zu sein“, solltest Du skeptisch werden und den vorgelegten Zahlen nicht blind vertrauen.

Höre kritischen Stimmen besonders dann zu, wenn sie nicht Deiner bullishen Meinung über eine Aktie entsprechen. Besonders gefährlich wird es, wenn Du Dich in Aktien verliebst und deshalb schlechte Nachrichten einfach ausblendest.

Ich bin selbst in früheren Jahren gleich zweimal Opfer eines Bilanzbetruges geworden. Damals ging es jedoch um marktenge Nebenwerte aus dem Ausland und nicht um einen DAX-Wert. Es schockiert mich, dass so etwas sogar in der höchsten deutschen Börsenliga möglich sein soll. Und ebenso schockiert bin ich darüber, dass die größten und renommiertesten deutschen Fondsgesellschaften dennoch massiv investiert sind. Die Bafin als Regulierungsbehörde hat wohl ebenfalls versagt und Wirecard durch ein Leerverkaufsverbot beschützt. Ohne Worte…

Wirecard Aktien-Anlagestrategie - Illustration - Junger Mann sitzt zweifelnd vor seinem Laptop
Bei Wirecard genauso wie bei der Investition in Aktien generell gilt: Der Zweifel ist Dein bester Freund.

Seit meiner Erfahrung mit Bilanzbetrug und dem gezahlten Lehrgeld, ist für mich bei jeglichem Investment das grundsätzliche Vertrauen in die handelnden Personen noch wichtiger als die vorgelegten Zahlen.

Heutzutage kann jeder Privatanleger das Management „seiner“ Unternehmen via Live-Stream, in Analysten-Calls, in Video-Aufzeichnungen und auf den sozialen Plattformen erleben. Frage dich bei aufmerksamer Beobachtung dieser Menschen immer, ob Du mit ihnen in Deinem Privatleben gerne Geschäfte machen würdest. Bei einigen Managern sagt mein Bauchgefühl schon „NEIN“. Und dann schaue ich mir die Geschäftszahlen gar nicht mehr näher an.

Vielleicht ist es notwendig, dass man eine Bilanzfälschung selbst miterlebt haben muss, um für die Zukunft daraus zu lernen.

Erst letzte Woche sprach ich mit einem befreundeten Privatanleger, der trotz seiner mittlerweile vorhandener Bedenken die Wirecard Aktien in seinem Depot nicht verkaufen wollte und zuletzt seine Position sogar nochmal „verbilligt“ hatte. Auf meine Frage, warum er denn nicht verkauft, sagte er: „Weil ich niemals eine Aktie im Minus verkaufe“.

Würdest Du vielleicht eine ähnliche Aussage treffen?

Für mich ist diese Einstellung einer der größten Fehler, den man bei der Aktien-Anlagestrategie begehen kann. Anhand des aktuellen Wirecard-Beispiels kannst Du lernen, diesen grundsätzlichen Anlegerfehler in Zukunft nicht (mehr) zu machen.

Lektion 2 – Einstiegskurse sollten Deine Verkaufsentscheidung nicht beeinflussen

Bei der Entscheidung zum Einstieg in eine Aktie hast Du wahrscheinlich gute Gründe dafür gehabt. Denn wie Peter Lynch bereits sagte, solltest Du immer ganz genau wissen, warum Du in eine Aktie investierst.

„Know what you own – and know why you own it“.

Peter Lynch

Wenn nach einer Kaufentscheidung dann einige Zeit vergeht, liegen für „Dein“ Unternehmen vielleicht neue Informationen vor. Im Wirecard-Beispiel könnten das Informationen sein, die auf einen möglichen Bilanzbetrug hinweisen. Du solltest in Deinem Depot keine Aktie besitzen, die du nicht auch zum heutigen Kurs und mit heutigen Informationen noch guten Gewissens kaufen würdest.

Ein Aussitzen von Verlusten war noch nie eine gute Lösung. Auch nach 50 Prozent Buchverlust besteht immer noch das Risiko eines Totalverlusts. Immer wieder mal gibt es Konkurse von börsennotierten Unternehmen. Und daraus resultiert dann meist ein Totalverlust der Aktionäre. Daher ist die gute Diversifikation eines Portfolios so wichtig.

Am besten wäre es tatsächlich, wenn Du Deinen Einstiegskurs bei der Entscheidung über einen Verkauf grundsätzlich nicht berücksichtigst. Mir ist natürlich auch klar, dass das in der Praxis schlecht funktioniert, da die üblichen Tools zur Depotverwaltung uns ja immer die Entwicklung einer Position in meist grünen oder roten Farben signalisieren.

Ich empfehle Dir aber generell, das weitgehend zu ignorieren und stattdessen in regelmäßigen Abständen (mindestens 1x pro Quartal) bewusst darüber nachzudenken, ob Du Deine Aktien im Depot auch zum heutigen Preis noch kaufen würdest.

Lektion 3 – Fühlst Du Dich als Miteigentümer „Deiner“  Unternehmen wohl?

Falls Du diese Frage für eine Aktie verneinst, dann musst Du diese Aktie verkaufen. Auch wenn Du damit schmerzhafte Verluste realisierst.

Das gehört dazu, kein Investor liegt immer richtig. Und das musst Du auch gar nicht, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen.

Vielmehr reduziert der Verkauf einer Aktie, mit der Du Dich unwohl fühlst das Risiko, dass Du mit dieser Aktie einen weiteren Verlust erleiden könntest. Und zusätzlich steht Dir das aus dem Verkauf gewonnene Kapital anschließend für Investitionen in andere Aktien und Fonds zur Verfügung.

Wenn Du wissen willst, welche Unternehmen wir aktuell im The Digital Leaders Fund halten, dann kannst Du das auf unserer Portfolio-Seite einsehen.

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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Stefan Waldhauser

    Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.

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Stefan Waldhauser

Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.

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9 Antworten

  1. Hallo Herr Waldhauser,

    ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Ein objektiver, konstruktiver Beitrag aus dem ich einige Punkte mitnehmen konnte. Ich war nicht in WC investiert, habe das Thema dennoch intensiv verfolgt.

    Dennoch habe ich den „Kritikpunkt“, dass ich mich nach dem lesen gefragt habe: „Was hätte ich / was hätten Privatanleger anders machen sollen?“ Und wenn ich ehrlich bin, dann finde ich ihre Teilantworten etwas schwammig.

    Beispiel: Skepsis bei Unternehmen wo es heißt „zu gut sind, um wahr zu sein“. Ist das nicht einfach zu subjektiv mit einem Bauchgefühl? Ich PERSÖNLICH kann damit wenig anfangen. Sollte ich bei einem Titel wie nvidia skeptisch werden?
    Aus meiner Sicht ist das mit einem relativen Zeitinvest für Privatanleger gar nicht so einfach.

    Gibt es nicht etwas handfestere „Prüfpunkte“, die man Privatanlegern mitgeben kann? Oder anders gefragt: Kann man solche Klopper wie Bilanzmanipulation überhaupt wirklich antizipieren?

    1. “Was hätte ich / was hätten Privatanleger anders machen sollen?” Ich denke viel ist schon gewonnen, wenn man ein Portfolio vernünftig diversifiziert. Ich habe von Privatanlegern gehört, die große Teile ihres Vermögens auf die Wirecard-Karte gesetzt hatten und in die fallenden Kurse immer weiter nachgekauft haben. Das sind jetzt die echten Dramen…

      „Aus meiner Sicht ist das mit einem relativen Zeitinvest für Privatanleger gar nicht so einfach.“ – Das ist tatsächlich so. Wer in Einzelaktien investieren will, der muss einiges an Zeit mitbringen, um sich ständig neu zu informieren. Das Buy+Hold über Jahrzehnte hinweg wird im Zeitalter der Digitalisierung wohl nicht mehr so gut funktionieren wie früher. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten, wenn man keine Zeit oder Lust hat, sich viel mit seinen Wertpapieren zu beschäftigen: nicht umsonst wird die Anlage in ETFs immer populärer. Und es gibt ja auch gute aktive Fonds. Zumindest bemühen wir uns seit März 2018, dafür einen Nachweis zu erbringen!

    2. Gesunder Menschenverstand hilft – wie so oft im Leben. War ein paar Monate in Wirecard investiert. Hier und da kritische Berichte finde ich erstmal nicht so schlimm. Irgendwann war ich genervt vom negativen Newsflow und bin mit kleinem Gewinn raus. Es war mir einfach zu stressig. Und wie sagt man so schön. Wenn so lange negativ berichtet wird. Da muss ein kleines Fünkchen Wahrheit dran sein. Als dann der KPMG Bericht kam und das wesentliche Informationen vorenthalt wurden. Ja, spätestens da hätte Otto Normal skeptisch werden können. Es gab so unglaublich viele Möglichkeiten vor dem Crash auszusteigen. Das blinde Vertrauen hat wohl einige Privatanleger richtig getroffen jetzt – mit voller Wucht. Und den Einkauf muss man ausblenden können. Den „Verlust“ kann man auch mit seriösen Aktien wieder reinholen. Werde nie verstehen, warum es immer mit der gleichen Aktie gemacht werden muss.

  2. Ich habe vor einigen Wochen überlegt in Wirecard zu investieren. Euer Artikel „Wirecard ist eine Dauerwette auf die Glaubwürdigkeit des Managements“ hat dazu beigetragen, dass ich es nicht getan habe. Vielen Dank dafür.

  3. Auch ich hatte mich mit Wirecard beschäftigt, besonders nachdem Wirecard als DAX-Kandidat gehandelt wurde. Ich habe es nicht geschafft zu verstehen, was das Unternehmen so toll kann, dass es derart gutes Geld verdient. Ich hatte im Rahmen der diversen Vorwürfe an das Unternehmen auch nie das Gefühl, dass der Wille bestünde, dies transparent zu machen. Dieser schlechte Eindruck hat mich letztlich von einem Investment abgehalten oder vielmehr davor bewahrt. Ob ich dies ohne solche Artikel wie die Ihren geschafft hätte durchzuhalten, weiß ich nicht. Daher ein großer Dank dafür! Mein Learning: Bauchgefühl matters!

  4. Guten Tag Herr Waldhauser, guten Tag Herr Irmak,

    ich wollte bereits gestern nach den Ereignissen einen Kommentar unter den letzten Wirecard Blogpost setzen.
    Ich schätze sehr die sachliche Auseinandersetzung mit Wirecard insbesondere da Sie scheinbar über die Zeit viele Mails erhalten haben, in denen Ihnen Ignoranz, Unkenntnis und fehlender Investitionswille bei Wirecard unterstellt wurden.

    Hatte bei dem heutigen Posting in den ersten Sätzen bereits die Befürchtung, dass es sich um eine Art Abrechnung handelt. Aber auch dieser Artikel ist objektiv und abstrahiert die aktuellen Geschehnisse.

    Auch ich bin fassungslos ob der Entwicklung bei Wirecard in den letzten Tagen. Ich sehe hier Fehler bis hin zu Versagen auf vielen Ebenen (Börse, BaFin, involvierte Wirtschaftsprüfer, Banken und vor allem natürlich dem WC Management).
    Sehr düstere Tage für die eh schlechte deutsche Aktienkultur, für das Renomee des DAX und die Hoffnung auf ein deutsches Fintech, welches auf globaler Ebene ein Rolle spielen kann.

    Ich bedauere alle Aktionäre, die aktuell betroffen sind! Wenn man den vielen Postings in den einschlägigen Finanzforen glauben darf, sind viele Privatanlager betroffen z.T. sogar mit 1-Aktie-only-Strategie und/oder gehebeltem Invest auf Kredit.

    Die Lektionen 1-3 sind sehr hilfreich. Ich mache jedoch immer wieder bei Freunden und Bekannten die Erfahrung, dass die besten Ratschläge nichts nützen. Jeder muss wohl auch an der Börse seine eigenen Fehler machen und hoffentlich daraus lernen. Mein persönliche Bilanzskandale waren Boston Chicken (1995) und Kinghero.

    Vielen Dank an dieser Stelle für den informativen Blog, die fundierten Artikel und den transparenten Fonds.

    1. Vielen Dank für das nette Feedback. Meistens fühlt es sich gut an, wenn man an der Börse den richtigen Riecher hatte. Diesmal leider nicht. Der Schaden für die Aktienkultur und das Image des Finanzplatzes Deutschland durch Wirecard ist zu groß. Tatsächlich ist der Lerneffekt wohl am größten, wenn man einmal selbst den Schaden zu beklagen hatte. Die Erfahrenen unter uns haben wohl alle genauso wie ich irgendwann einmal solches Lehrgeld bezahlt.

  5. Ich habe Ihnen bei fast allen Artikeln Glauben geschenkt – und das hat sich bisher auch sehr ausgezahlt. Bei dieser einen Aktie dachte ich es besser zu wissen: Einem DAX Unternehmen mit über 5300 Mitarbeitern und mit einem Manager, der es von klein auf hochgezogen hat und selber beteiligt ist, dem habe ich etwas diesen Ausmaßes nie und nimmer zugetraut. Gott sei dank bin ich noch jung und kann das jetzt als Lehrgeld sehen. Interessant ist auch wie schwer man sich tut eine Aktie zu verkaufen – nur weil sie einmal auf 190 Euro stand.

    Einige Fragen bleiben für mich aber: wie kann denn ein Unternehmen mit diesem Umsatz über Jahre 1,9 Mrd verstecken? Das muss sehr beeindruckendes Cash Flow Management gewesen sein – Fixkosten wurden ja alle gedeckt. Sind die Umsätze echt gewesen?

    Vielen Dank für diesen Artikel, ich werde ihn mir zu Herzen nehmen!

    1. Die noch offenen Fragen können wir natürlich auch nicht beantworten. Und ehrlich gesagt halte ich es auch für Zeitverschwendung, sich weiter mit Wirecard zu beschäftigen. Es gibt so viele gute und skandalfreie Unternehmen, die auf eine Analyse warten.

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