Wir stellen heute eine Erfolgskennzahl aus der Welt der SaaS-Unternehmen vor: die Magic Number. Sie zeigt an, wie effektiv ein Unternehmen seine Marketing- und Vertriebsausgaben einsetzt, um Kunden zu gewinnen; sie ist insbesondere im heutigen, für Growth-Unternehmen unfreundlichen Marktumfeld wichtig. Wir runden unseren Deep Dive ab mit einer Download-Tabelle zum Ende des Beitrags.
Einführung
Wir setzen mit der Magic Number unsere Serie zu wichtigen Kennzahlen für Highgrowth Unternehmen mit besonderem Fokus auf SaaS fort. Wir haben bereits die Datenpunkte NRR und Rule of 40 ausführlich vorgestellt; die Magic Number ergänzt diese Serie. Die Kennzahl setzt das Umsatzwachstum ins Verhältnis zu den Ausgaben für das Marketing und den Vertrieb.
Doch bevor wir tiefer einsteigen, stellen wir den Kontext her, der erklärt, warum die Magic Number wichtig gleichermaßen für Unternehmer und Investoren ist.
SaaS: Wichtige Basiskennzahlen
Erinnern wir uns, worum es bei SaaS-Unternehmen geht. Es handelt sich um Software-Unternehmen aus verschiedenen Branchen, deren Geschäftsmodelle auf Software-Subskriptionen basieren. Sie sind oft Disruptoren, die die klassischen Software-Anbieter mit Lizenzvertrieb unter Druck setzen. Es geht diesen Unternehmen also darum, schnell Marktanteile zu gewinnen; erst wenn ein möglichst großer Anteil am Kuchen gesichert ist, werden Anleger mit Gewinnen und Dividenden belohnt. Aber das ist im Frühstadium Zukunftsmusik: Vielmehr gelten für SaaS-Unternehmen folgende klassische Erfolgsindikatoren. Sie müssen:
- Einmal gewonnene Kunden an sich binden. Die Kundenbindung wird durch die Abwanderungsrate (Churn-Rate) gemessen, die den Prozentsatz der Kunden ausdrückt, die ihre Abos kündigen. Ein niedriger Churn bedeutet, dass das Unternehmen seine Kundenbasis hält, was dem Geschäftsmodell langfristig Stabilität verleiht;
- Neukunden akquirieren: Hier stehen die Conversion-Rate von Website-Besuchern zu Neukunden oder der Customer Acquisition Cost (CAC) im Mittelpunkt. Beide zeigen an, wie effektiv ein Unternehmen Kunden gewinnt.
- Ein hohes Umsatzwachstum erzielen: Der SaaS-Klassiker. Anleger erwarten typischerweise Wachstumsraten von 20, 30 oder 40 Prozent und mehr. Wer die Welt erobern will, muss höchsten Maßstäben genügen!
- Frühzeitig eine hohe Bruttomarge aufweisen: das zeigt, wie viel Geld ein Unternehmen nach Abzug der Kosten für die Herstellung oder Erbringung seiner Dienstleistungen oder Produkte verdient. Auch hier sind die Erwartungen von Anlegern in SaaS-Unternehmen hoch.
Die Magic Number einfach erklärt
Die Natur der Geschäftsmodelle von SaaS-Unternehmen, die auf Disruption setzen, wird die Nützlichkeit von Kennzahlen wie der Magic Number deutlich. Es handelt sich um eine Effizienzkennzahl, die auf einen Blick die Wirksamkeit von Marketing und Vertriebsausgaben zeigt. Die Kennzahl wurde vom Entrepreneur Lars Leckie in den Nullerjahren ins Gespräch gebracht. Wie andere Highgrowth-Kennzahlen auch ist die Magic Number nützlich, weil viele SaaS Unternehmen nicht profitabel sind. Daher ist sie für Anleger eine Alternative zu den klassischen Bilanzkennzahlen.
Die Magic Number setzt die Veränderungen im Umsatz zwischen Periode und Vorperiode – in der Regel von einem Quartal zum nächsten – ins Verhältnis zu den Ausgaben für Sales und Marketing in der Vorperiode. Üblicherweise wird diese Zahl dann aufs Jahr hochgerechnet. Für die längerfristige Betrachtung lassen sich natürlich auch die Jahres-Umsatzzahlen arbeiten, wobei Controller monatliche oder quartärliche Umsatzveränderungen in den Mittelpunkt stellen dürften.
Ein Wert von 1,0 und mehr gilt als optimal, weil dann das Unternehmen höhere Einnahmen erzielt, als es für Vertrieb und Marketing ausgibt; die Neukunden-Akquise, die sich in den erhöhten Quartalsumsätzen (Stichwort: Subskriptionen) widerspiegelt, gilt dann als effizient. Eine Magic Number von 0,75 ist befriedigend und signalisiert, dass die Vertriebsstrategie zwar effizient ist, aber dass ein größeres Gewicht auf Customer Retention oder die Ertragssteigerung pro Kunde gelegt werden sollte; ein Wert von unter 0,5 wird dagegen als problematisch beschrieben, weil dann das „Go-to-market“-Modell des Unternehmens als nicht effizient gilt. Dann sollte die C-Ebene die Strategie für Marketing und Vertrieb auf den Prüfstein stellen – möglicherweise sollten die Ressourcen dann eher in R&D gelenkt werden als ins Marketing. Im Gegensatz zu nicht stark wachsende Unternehmen ist Sales und Marketing für SaaS-Unternehmen essentieller Bestandteil ihrer Strategie; sie machen typischerweise einen großen Teil des Umsatzes aus – 40 bis 50 Prozent galten zu Hochzeiten der Highgrowth-Hype bis Ende 2021 als üblich.
Anleger wiederum können anhand der Magic Number ihre Investment-These für Highgrowth-Unternehmen validieren. So können negative Veränderungen signalisieren, dass der Churn hoch ist, der Markt gesättigt oder die Wettbewerber im Begriff sind, gegenüber dem untersuchten Unternehmen Boden gut zu machen.
Wie bei allen nicht-normierten Erfolgskennzahlen kommt die Magic Number etwas schwammig daher – Anleger sollten sie daher als Daumenregel verstehen und nicht als „Silver Bullet“ der SaaS-Unternehmensanalyse. So lässt sich darüber streiten, ob die Magic Number nur die wiederkehrenden Umsätze (zumeist die MRR, monthly recurring revenues) berücksichtigen soll, oder aber ob der Gesamtumsatz des Unternehmens auch infrage kommt, zumal nicht alle Unternehmen eine einheitliche Abgrenzung ihrer Ausgaben vornehmen. Für eine etwas großzügigere Auslegung spricht, dass bei SaaS-Unternehmen die Umsätze ohnehin überwiegend „recurring“ sind.
Die Begrenzungen
Wie bei vielen Daumenregeln lässt sich bei der Magic Number grundsätzliche Einwände formulieren: Warum ist ein Schwellenwert von 0,75 gut, einer von 0,5 schlecht? Veränderungen in den Marktbedingungen werden zudem nicht erfasst. In einem Umfeld eines stark verlangsamten Wachstums kann eine Magic Number von 0,5, über die Anleger in einem Nullzinsumfeld noch die Nase gerümpft haben, akzeptabel sein, zumal dann, wenn der Wettbewerb insgesamt schwächelt.
Zudem wird mit der Magic Number unterstellt, dass sich die Wirkung (oder nicht) von Sales und Marketing-Ausgaben innerhalb eines Quartals, Monats oder sogar Real Time ermitteln lässt – und dann auch 1:1 durchschlägt. Wer diese Zahl außerhalb der Marketing-Abteilung verabsolutiert, ist auf dem Holzweg.
In der Magic Number werden außerdem entscheidende Faktoren nicht berücksichtigt – etwa die Kundenzufriedenheit. Spart etwa ein Unternehmen an der Kundenbetreuung, dann kann sich das umgehend positiv auf die Magic Number auswirken (der Nenner wird kleiner), provoziert unter Umständen aber eine Abwanderung frustrierter Kunden, was dann wiederum den Zähler dezimiert. Zudem kann eine allzu einseitige Fokussierung auf Marketing und Vertrieb zur Vernachlässigung der Produktentwicklung führen; eine leere Produktpipeline kann aber genauso schlecht für den Vertriebserfolg sein wie ein schlechtes Marketing – man sieht die Wirkung nur später.
Magic Number: Top 50 SaaS-Unternehmen Download-Tabelle
Eine weitere Begrenzung der Magic Number haben wir mit der unteren Download-Tabelle, siehe Link unten, aufgehoben: Die Magic Number ist eine Stichtagsbetrachtung; ihr fehlt der zeitliche Kontext. Wir haben für eine Auswahl von 50 SaaS-Unternehmen eine zeitliche Reihe seit Anfang 2020 erstellt. Wir haben die Magic Number Quartal für Quartal erstellt und präsentieren in der Tabelle eine zumeist lückenlose Historie, die wiederum dem aktuellen Wert Kontext verleiht.
Zusätzlich haben wir einen Durchschnittswert über die maximal 14 Quartale ermittelt. Einen Mini-Spoiler vorweg: Das veränderte Marktumfeld seit Ende 2021 hat die Magic Number zwar nicht entzaubert, aber wohl Spuren hinterlassen. Aber jetzt viel Spaß beim Stöbern!
Disclaimer
Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
-
Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
View all posts