Pluralsight GitPrime – Der heilige Gral im Engineering Management?

7. Mai 2019

Pluralsight GitPrime - Der heilige Gral im Engineering Management

Vor drei Monaten haben wir erstmals hier im DLF Blog die Pluralsight Aktie vorgestellt.

In der vergangenen Woche hat das Unternehmen nicht nur seine Zahlen zum 1. Quartal 2019 , sondern auch die $170 Millionen teure Übernahme von GitPrime bekanntgegeben.

Grund genug also für ein Update.


Die Pluralsight Zahlen für das 1. Quartal 2019

  • Der Umsatz ist um 40 Prozent auf knapp $70 Millionen gewachsen.
  • Die Bruttomarge (gross margin) konnte von 70 Prozent im Vorjahr auf 76 Prozent gesteigert werden.
  • Der operative Cashflow wurde  von -$10 Millionen im Vorjahr auf +$5 Millionen verbessert.
  • Die noch nicht realisierten Umsätze in der Bilanz (Deferred Revenues) sind um 54 Prozent gestiegen.

Die Umstellung auf das B2B-Geschäft wurde unvermindert weiter vorangetrieben.

Mittlerweile stammen über 86 Prozent der Billings (das sind die in Rechnung gestellten Leistungen) von Geschäftskunden.

Dieses Kerngeschäft wuchs um 48 Prozent gegenüber Vorjahr, während die Bedeutung der B2C-Plattform weiter zurückgeht.

Der Cashflow war nun im dritten Quartal hintereinander positiv.

Auch der Free Cashflow (das ist der Cashflow unter Berücksichtigung der Investitionen) war im 1. Quartal 2019 mit $2,5 Millionen positiv, während er im Vorjahresquartal noch -$13,1 Millionen betragen hatte.

Pluralsight GitPrime - Finanzielle Highlights von Pluralsight im Q1 2019 im Überblick
Pluralsight: Die Zahlen zum Q1 2019 im Überblick. (Quelle: Pluralsight Quartals-Präsentation)

Guidance für 2019

Für das Gesamtjahr 2019 wird nun ein Umsatz von circa $315 Millionen erwartet.

Das ist ein Wachstum von circa 36 Prozent gegenüber 2018.

Auch nach der Akquisition, die in 2019 nur wenig umsatzrelevant ist, soll trotz der Aufwendungen für die Integration der Cashflow für das Gesamtjahr 2019 positiv bleiben.

Das war die für mich wohl wichtigste positive Botschaft im Analystencall.

Denn allzu oft versuchen Tech-Unternehmen mit einer Übernahme und den daraus resultierenden zusätzlichen Integrationsaufwänden ihre eigene operative Schwäche zu übertünchen.

Die Akquisition von GitPrime

Ich war zunächst mal überrascht, dass Pluralsight in der gegenwärtigen Situation $170 Millionen ausgibt, um ein erst in 2015 gegründetes Startup mit weniger als 100 Mitarbeitern zu kaufen.

Zumal GitPrime bisher nur ein Series A Funding von $14 Millionen erhalten hatte und der Umsatz wohl gegenwärtig bei maximal $10 Millionen liegt.

Pluralsight erhofft sich allerdings schon für 2020 Billings in der Größenordnung von $30 Millionen aus der Akquisition.

Was den Preis dann wieder relativieren würde.

Dennoch: Das hört sich zunächst mal nach einem strategischen Preis an, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich bin generell immer sehr skeptisch bei solchen Übernahmen relativ kurz nach dem IPO eines Unternehmens wie Pluralsight.

Pluralsight GitPrime - Die Vorteile der Akquisition im Überblick
Pluralsight GitPrime: Die Vorteile der Akquisition im Überblick.

Worum geht es bei dieser Akquisition?

GitPrime bezeichnet sich selbst als „Engineering Intelligence Platform“.

Es geht dabei darum, die Arbeit von Führungskräften im Software-Engineering zu unterstützen und den Engineering-Managern einen Überblick über den von ihren Entwicklungsteams produzierten Quellcode zu geben.

GitPrime setzt auf den führenden Quellcode-Verwaltungen wie GitHub(Microsoft), GitLab (unabhängig) und Bitbucket (Atlassian) auf und bietet zahlreiche Funktionen zur Analyse des Quellcodes, den einzelne Entwickler oder ganze Entwicklungsteams produziert haben.

Ein Engineering-Manager kann also datengetriebene Entscheidungen treffen und erhält einen besseren Einblick in die Stärken und Schwächen seiner Teammitglieder, indem er deren Output genau analysieren und visualisieren kann – und zwar unabhängig von dem verwendeten Quellcode-Verwaltungstool.

Ich kann mir aus eigener Erfahrung heraus gut vorstellen, dass das Herz eines jeden Engineering-Managers höher schlägt angesichts solcher Möglichkeiten.

Ein GitPrime-Kunde bezeichnet das Tool sogar werbewirksam als den “heiligen Gral im Engineering Management.” 😉

GitPrime als “Big Brother”

Allerdings werden das wohl deutsche Betriebsräte ganz anders sehen und große Probleme mit GitPrime haben.

Denn zumindest auf den ersten Blick klingt GitPrime bei allen offensichtlichen Vorteilen für die Produktivität schon etwas nach „Big Brother is watching you“.

Aber diese Datenschutzproblematik existiert natürlich zumindest potentiell für sehr viele Tools zur Analyse menschlicher Arbeit.

Und in den USA und vielen anderen Ländern sind solche Bedenken ohnehin viel weniger  vorhanden.

Was auffällt ist die für ein Startup sehr illustre Kundenbasis von GitPrime mit klangvollen Namen wie Adobe, Tesla, PayPal, Disney, VMware, TripAdvisor oder auch HelloFresh.

Sogar Atlassian als DAS führende Unternehmen im Bereich der Team-Collaboration im Software-Engineering ist mit dabei.

Die Logik hinter dieser Übernahme

Die Idee hinter der Akquisition ist klar: Der Head of Engineering bekommt mit GitPrime schonungslos die Schwächen seiner Mannschaft offenbart und soll dann bereitwillig die Pluralsight-Onlinekurse kaufen, um in seinen Teams die fehlenden Tech-Skills aufzubauen.

Soweit die Theorie, welche wirklich erstklassige Synergien zwischen beiden Produkten avisiert.

Die Praxis sieht jedoch oftmals anders aus. Insofern werde ich sehr interessiert beobachten, was die nächsten Quartale für Pluralsight bringen werden.

Geplant ist eine vollständige Integration von GitPrime in die Pluralsight Organisation bis Anfang 2020.

In jedem Fall ist das für Pluralsight tatsächlich ein wichtiger und strategischer Schritt, der durchaus auch einen strategischen Preis rechtfertigen kann.

Wir werden die weitere Entwicklung mit Interesse beobachten.

Pluralsight GitPrime – Die Finanzierung des Deals

Im Vorfeld der Akquisition hatte sich Pluralsight über eine Wandelanleihe fast $550 Millionen besorgt.

Die läuft bis 1. März 2024 und wird mit einem sehr geringen Zinssatz von weniger als 0,4 Prozent p.a. verzinst.

Das ist eine sehr günstige Finanzierung, zumal eine eventuelle Verwässerung der Altaktionäre durch geeignete Optionsgeschäfte minimiert werden soll.

Zum Ende des 1. Quartals verfügte man über Barmittel in Höhe von $764 Millionen, dadurch ist natürlich die Finanzierung des GitPrime Kaufpreises in Höhe von $170 Millionen kein Problem.

Partnerschaften mit Microsoft und Google

Immer enger werden die Partnerschaften zwischen Pluralsight und den großen Cloud-Providern.

Die haben alle mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass es weltweit viel zu wenige Experten für AWS (Amazon Web Service), Microsoft Azure und GCP (Google Cloud Platform) gibt.

Durch die Zusammenarbeit mit Microsoft bekommen nun alle Abonnenten von Microsofts Entwicklungsumgebung Visual Studio einen kostenlosen Zugriff auf die entsprechenden Online-Kurse auf der Pluralsight Plattform.

Auch Google wird ab sofort die Pluralsight-Plattform weltweit nutzen, um den Kunden seiner Cloud Plattform im Vorfeld von Zertifizierungsprüfungen das nötige Training anzubieten.

Pluralsight GitPrime - Die Vertriebsstrategie im Überblick
Pluralsight: Partnerschaften mit Microsoft und Google im Überblick.

Pluralsight GitPrime – Fazit

Die Pluralsight-Aktie ist nun seit circa einem Jahr an der NASDAQ notiert.

Seit Veröffentlichung unserer Pluralsight Analyse hat sich an der Bewertung wenig verändert.

Die Aktie ist wie alle qualitativ hochwertigen High-Growth-Werte hoch, aber aus unserer Sicht durchaus fair bewertet.

Wir haben daher in den vergangenen Wochen unsere Einstiegsposition für das Portfolio von The Digital Leaders Fund etwas vergrößert und werden sehr genau beobachten, wie die Integration von GitPrime und die weitere Entwicklung verläuft.


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Autor

  • Stefan Waldhauser

    Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.

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Stefan Waldhauser

Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.

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4 Antworten

  1. Guten Tag,
    wie sieht denn eurer Meinung nach die Bewertung der aktuellen Ereignisse nach den Q2-Zahlen aus. Nicht mehr viel, und die 30 % Regel müsste greifen.

    Gruß und großes Lob für die grandiose Arbeit

    Simon Schmid

    1. Die Reaktion des Marktes auf die Q2-Zahlen war natürlich eine böse Überraschung auch für uns. Die Billings waren wirklich sehr schwach. Andere Zahlen wie die Retention Rate oder die Margen waren dagegen gewohnt gut. Ein Ausstieg gemäß der Rule of 30 (siehe https://www.high-tech-investing.de/blog/tag/RuleOf30 ) steht für uns derzeit nicht zur Diskussion. Eine schnelle Erholung der Aktie ist aber auch nicht unbedingt zu erwarten, denn die Lösung der Vertriebsprobleme wird Zeit benötigen. Am langfristigen Investment Case hat sich für uns nichts geändert.

  2. Top. Ein riesiges Lob für die sehr guten Analysen. Ich bin durch das Interview beim Finanzrocker Podcast auf diese Seite aufmerksam geworden. Trotz der kurzen Zeit die ich eure Seite verfolge, ist sie im deutschsprachigen Raum fast zu meiner „Lieblingsaktienseite“ geworden und neben SeekingAlpha zu einer der besten Seiten um Information zu „unbekannteren“ Aktien zu erhalten. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für die vielen interessanten Artikel.

    1. Vielen Dank für das tolle Feedback. Wir arbeiten sehr gerne daran, mit unserem Blog eine Lücke im deutschsprachigen Netz mit hoffentlich lesenswertem Content zu füllen. 😉
      Und besonders freuen wir uns, wenn unsere Beiträge von unseren Lesern in ihren Netzwerken geteilt und damit noch weiter verbreitet werden. Denn dadurch helft Ihr uns, den DLF noch viel bekannter zu machen. VG

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