Angeführt von Europas größtem Player Vonovia sind Immobilien Aktien in diesem Jahr massiv eingebrochen. Die Kursverluste offenbaren die allzu oft ignorierte Kehrseite der Medaille bei Immobilien Investments. Worauf Anleger bei einer Asset Klasse achten müssen, die mehr Tücken hat, als es das Immobilien-Marketing vermuten lässt.
Der diesjährige Kurseinbruch von über 27 Prozent bei der Vonovia Aktie (Stand: 11.5.) dürfte viele Anleger schockiert haben. Der DAX-Konzern, immerhin Europas größter Immobilienanbieter, verlor allein im laufenden zweiten Quartal über 17 Prozent – dreimal mehr als der deutsche Leitindex, der seit Anfang April um nur gut vier Prozent nachgab. Die Vonovia Aktie ist beileibe kein Einzelfall. Man muss dabei nicht den von der Adler Group Aktie bemühen, um die Kursverluste bei Immobilienaktien als bemerkenswert zu erkennen. Deutschlands größte Immobilienaktien mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro verloren verloren im Schnitt gut 13,5 Prozent im laufenden Jahr – mehr als der DAX, für den es um knapp 13 Prozent nach unten ging.
Die größten deutschen Immobilien Aktien 2022 im DAX-Vergleich
Diese Zahlen zeigen vor allem eines: Immobilien Aktien sind heute ein guter Gradmesser für die Risiken von Immobilien Investments. Das dürften sich viele Anleger anders vorgestellt haben. Immobilien, leider auch Immobilien Aktien, werden als sichere, konservative, renditeträchtige Anlagen vermarktet – die auch vor Inflation schützen, natürlich! Immobilienmakler haben in den vergangenen Jahren „Betongold“ als eierlegende Wollmilchsäue präsentiert. Mit zunehmender Dauer der Immobilienhausse haben immer mehr Investoren diese Mär geglaubt. Das hat die Risiken für den Markt, vor allem aber für Investoren, erhöht.
Bevor wir uns den Eigenschaften von Immobilien Aktien widmen, müssen wir uns also kurz mit Immobilien als Anlageklasse beschäftigen. Zunächst identifizieren wir den Immobilienzyklus und blicken auf den Zusammenhang zwischen Immobilien und Zinsen. Danach kommen wir auf zwei wichtige Formen von Immobilienanlagen für Anleger zu sprechen und analysieren ihre Rendite-Risiko-Eigenschaften.
Eine kurze Geschichte des Immobilienmarketings
Der Immobilienaufschwung seit Ende der Finanzkrise ab 2009 wurde von erstaunlichen Marketing-Stilblüten begleitet. „Gegenüber Aktien, Devisen und Gold ist die Immobilie langfristig immer eine sichere Anlage“, ließ sich ein süddeutscher Immobilienmakler in einer Badischen Zeitung zitieren. „Immobilien sind wertbeständige sichere Kapitalanlagen und weitgehend geschützt vor der Inflation“, heißt es bei einem Immobilienentwickler, der Immobilien als „unabhängig von Wirtschaftsdaten“ immer im Aufstieg sieht.
Verbraucher und Anleger wurden in den vergangenen Jahren mit diesen und vielen ähnlichen Werbebotschaften regelrecht überschüttet: Bei Immobilien winkten nicht nur ein sicherer Wertzuwachs, gute Renditen dank steigender Mieteinnahmen und Inflationsschutz, sondern auch: Steuervorteile! Immobilien sind also die eierlegende Wollmilchsau für Anleger. Die nicht vorhandenen Zinsen taten das Übrige. Kein Wunder also, dass viele Bürger in Deutschland bei „Betongold“ beherzt zugriffen. Die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, auch die Pandemie konnte den Preisauftrieb nicht stoppen. Auch wenn sie in den vergangenen Jahren zurückgekommen sind, waren laut Bulwiengesa zuletzt noch immer Brutto-Renditen von gut vier Prozent pro Jahr zu holen.
Preisentwicklung Wohn- und Gewerbeimmobilien in Deutschland
Diese Entwicklung hat nicht nur das Immobilien Marketing befeuert. Der Immobilienzyklus ist laut so manchem Profi abgeschafft. „Wer glaubt, dass eine Quadratmetermiete für eine Büroimmobilie … von 25 auf 60 Euro klettert und in absehbarer Zeit wieder auf 25 Euro fällt, ist vermutlich ein wenig realitätsfremd“, heißt es bei der DEGIV Gesellschaft für Immobilienverrentung, die das „Zyklus-Prinzip“ als „Immobilen-Voodoo“ bezeichnete. Dass es sich hier nicht um einen Ausreißer handelt, zeigt auch eine Analyse von BNP Paribas Real Estate aus dem Jahr 2017, die wir hier etwas ausführlicher zitieren:
„Niedrige Zinsen und damit hohe Immobilienpreise sowie niedrige Immobilienrenditen werden uns also dauerhaft erhalten bleiben. Wenn vor dem Hintergrund der seit Langem steigenden und historisch hohen Immobilienpreise (einerseits aus Furcht vor Fehlinvestitionen, andererseits mit Hoffnung auf spektakuläre Änderungen) das Ende eines Immobilienzyklus diskutiert wird, entbehrt das aus unserer Sicht jeder tatsächlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Grundlage und ist nur die alte Blasen-Diskussion in neuem Gewand.“
Höchste Zeit also, sich etwas näher mit dem Zusammenhang zwischen Immobilien und dem allgemeinen Wirtschaftszyklus zu beschäftigen!
Immobilien und der Wirtschaftszyklus
Fangen wir bei Adam und Eva an. Dass es keinen Immobilien-Zyklus gibt, ist natürlich Unfug. Immobilien können deshalb nicht losgelöst vom allgemeinen Wirtschaftskreislauf betrachtet werden, weil die Immobilienwirtschaft Teil des Ganzen ist. Veränderungen auf der Angebots- und der Nachfrageseite basieren auf dem Auf und Ab der Konjunktur, und diese Veränderungen lösen Preisschwankungen aus. Das ist naturgemäß kein starrer Prozess. Preisveränderungen erfolgen unregelmäßig, erstrecken sich über verschiedenste Zeitperioden und können mitunter stark nach oben oder nach unten ausreißen.
Entsprechend erfolgen idealtypisch Immobilien-Abschwungphasen bei einer Stagnation oder Rezession. Sie sind gekennzeichnet von steigendem Flächenzuwachs bei gleichzeitig rückläufiger Nachfrage. Es entsteht ein Überangebot, was zu sinkenden Mieten und steigendem Leerstand führt. Dies bewirkt wiederum eine Marktbereinigung, die dann in eine Phase der Stabilisierung übergeht. Zieht die Konjunktur wieder an, wächst die Nachfrage, was zu sinkendem Leerstand und steigenden Mieten führt. Es folgt eine Phase verstärkter Entwicklungstätigkeit, die irgendwann in eine sogenannte Überbauungsphase mündet. Diese entsteht deshalb, weil die verstärkte Bautätigkeit zeitlich länger dauert, als die Wirtschaft nach neuen Immobilien verlangt. Während es auf den Baustellen brummt, beginnt mitunter die Konjunktur zu lahmen, was zu sinkender Nachfrage führt. Deshalb verläuft der Immobilienzyklus nicht synchron zum Konjunkturzyklus. Während letzterer bereits stagniert und die Nachfrage nach neue Flächen sinkt, produziert die Immobilienwirtschaft munter weiter. Beim Immobilienzyklus handelt es sich also um einen klassischen Schweinzyklus.
Die bekannte Immobilienuhr des Beratungsunternehmen JLL erfasst diesen Zyklus anschaulich. Sie illustriert den “Zyklusstandort” des europäischen Büro-Immobilienmarkts. Per Ende März 2022 zeigt die Uhr, dass die Märkte zwar nicht im Abschwung sind. Allerdings sind einige Städte bereits in einer weit fortgeschrittenen Phase im Zyklus. Und was macht die Weltwirtschaft?
Zwar erwarten die Auguren derzeit keine globale Rezession, aber der IWF hat seine jüngste globale Wachstumsprognose für 2022 im April deutlich um 0,8 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent gesenkt. Die Covid19-Lockdowns in China, die Störung der Lieferketten weltweit und der Krieg in der Ukraine bewirken eine Abschwächung des erhofften Aufschwungs. Schlimmer noch: Die aktuelle IWF-Prognose ist nur eine Momentaufnahme. Angesichts der unklaren Aussichten zu den o.g. Krisen dürfte wohl keine Konjunkturprognose mit so vielen Unsicherheiten behaftet sein, wie es heute der Fall ist. (Fest steht indes, dass die Wirtschaft in Europa, vor allem in Deutschland und Italien, überdurchschnittlich stark unter dem Krieg leiden wird, wie aus den IWF-Daten hervorgeht).
Die Immobilienuhr tickt unerbittlich
Insofern ist aktuell der Rückblick auf die boomende Nachfrage der Vergangenheit kein Indikator für die Entwicklung des Marktes in der nächsten Zeit. „Deutscher Investmentmarkt zeigt noch keine Spuren des Krieges in der Ukraine“, analysierte jüngst JLL. Kenner der Materie werden vor allem das Wörtchen „noch“ zur Kenntnis genommen haben. Derzeit herrscht ein großes Rätselraten, wann der Kipppunkt am Immobilienmarkt erreicht sein wird. Thomas Beyerle, Research-Leiter beim Immobilienfonds-Anbieter Catella, erwartet kein „Lehrbuchszenario“. Er rechnet eher mit einer Seitwärtsbewegung der Immobilienpreise als mit einem nachfragebedingten Rückgang. Das ist möglich. Allerdings ist die Sache komplexer, als wir es bisher beschrieben haben. Kommen wir zum nächsten Punkt.
Immobilen und der Zins
Das Bild vom Immobilienzyklus wäre ohne die Berücksichtigung der Zinsmärkte nicht komplett. Diese üben einen entscheidenden Einfluss aus. Sie befeuern einerseits den Immobilienmarkt, bremsen ihn aber andererseits auch ab. Die niedrigen Zinsen seit 2009 haben zu einem Run auf Immobilien geführt. Immer mehr Finanzinvestoren haben angesichts mickriger Renditen am Anleihenmarkt ihre Immobilienquoten aufgestockt. Auch viele private Haushalte nutzten die günstigen Finanzierungskonditionen zu Kauf von Eigenheimen.
Bei steigenden Zinsen machen die Anleihenmärkte vielen Anlegern indes einen Strich durch die Rechnung. Das ist heute die größte Gefahr für Immobilien-Investoren und -Besitzer. Die zehnjährigen Bauzinsen sind seit Mitte 2021 von unter einem Prozent auf derzeit über 2,7 Prozent gestiegen.
Die untere Grafik zeigt den langfristigen Zusammenhang zwischen Zinsen, Kreditvolumen und Häuserpreisen in Deutschland zwischen 1970 und Ende September 2021. Besonders schön zeigt sich das inverse Verhältnis zwischen der Zinsentwicklung und der Entwicklung des Kreditvolumens. Bemerkenswert ist auch der dramatische Anstieg der Häuserpreise in Zeiten nicht existenter Zinsen seit 2012.
Die Immobiliendreifaltigkeit: Zinsen, Kredite, Preise
Inzwischen sind nach einhelliger Meinung der Aufsichtsbehörden Immobilien in Deutschland überbewertet. So warnt die Bundesbank seit längerem vor den Folgen einer Immobilienblase. Im vergangenen Jahr waren nach Einschätzung der Bundesbank Immobilien bis zu 40 Prozent überbewertet – nach 30 Prozent im Jahr 2020. Das Problem geht inzwischen über das Risiko von Preisrückgängen für einzelne Anleger bzw. Häuslebauer hinaus. Bei einer Konsolidierung am Immobilien Markt rückt oft auch die Gesundheit des Finanzsektors ins Bild.
Im Niedrigzinsumfeld sind die Fremdkapitalquoten beim Immobilienerwerb gestiegen. Dem Vernehmen nach wurde immer häufiger auch bei Privatanlegern die magische Quote von 100 Prozent Fremdfinanzierungsquote erreicht. Bekannterweise gehen Leverage-Stories oftmals schief. Dafür muss man nicht besonders weit in die Geschichte zurückblicken. In China hat sich die Immobilienspekulation heute zum handfesten Konjunkturrisiko ausgewachsen, wie die Schieflage des Immobilienentwicklers Evergrande zeigt. Und Evergrande ist kein Einzelfall. Auch weiteren Immobilienkonzernen aus China droht die Zahlungsunfähigkeit. Ein hoher Leverage kann so manche Finanzierungspläne zunichtemachen. Passiert das in großem Stil, hat das Folgen für die kreditgebenden Banken. In China wird ein Drittel der Wirtschaftsleistung vom Immobiliensektor getragen. Das zeigt, dass eine Immobilienkrise das Zeug zur systemischen Krisen hat.
Stichwort Systemkrise: Versiegen die Kredite, fehlt der Wirtschaft der Schmierstoff für das Wachstum. Das kann Volkswirtschaften an den Abgrund führen. Das zeigt die Häusermarktkrise in den USA ab 2007, welche die weltweite Finanzkrise auslöste. Sie wurde nur durch beherzte Schritte der Zentralbanken und Regierungen weltweit abgewendet. Doch der Preis war hoch: der Zins wurde in vielen Volkswirtschaften für einige Jahre faktisch abgeschafft. Damit wurde die Voraussetzung für den aktuellen Immobilienboom geschaffen, der sich 2022 dem Ende entgegen neigt.
In Deutschland hat die Aufsichtsbehörde BaFin reagiert. Ab spätestens Februar 2023 fordert sie von den Banken eine stärkere Eigenkapitalunterlegung von Immobilienkrediten.
Doch selbst wenn es nicht so schlimm kommt, so sind höhere Zinsen nicht nur ein Risiko für die Refinanzierung von Immobilienkrediten. Steigende Zinsen haben auch einen Einfluss auf die Attraktivität der Asset Klasse Immobilien. Drückt die Inflation die Zinsen bzw. die Renditen weiter nach oben, machen Anleihen dem Asset Immobilie Konkurrenz. Die Deutsche Bank hat in einer aktuellen Analyse berechnet, ab wann die Anleihenrenditen zur Gefahr für den Immobilienmarkt werden könnten.
Bliebe die Inflation dauerhaft über der Zwei-Prozent-Zielmarke der EZB, könne dies eine „fundamentale Neubewertung der Immobilienmärkte auslösen“, so Deutsche Bank Analyst Jochen Möbert. Angesichts durchschnittlicher Immobilien-Bruttorenditen von vier Prozent läge der Kipppunkt, ab dem Anleger Bunds den Vorzug gegenüber Immobilien gäben, bei einem Renditeniveau von zwischen zwei und vier Prozent, so Möbert.
Am 11. Mai lag die Rendite zehnjähriger Bunds bei 0,82 Prozent. Das klingt zwar nach einer komfortablen Sicherheitsmarge, doch bis in den Februar hinein rentierten zehnjährige Bunds noch deutlich unter der Nulllinie. Angesichts der geringen Visibilität der Makro-Entwicklung sieht die Sicherheitsmarge insofern vielleicht doch nicht ganz so komfortabel für Immobilien Investoren aus?
Immobilien Fonds vs. Immobilien Aktien
Was ist der beste Weg zum Immobilien Investment? Finanzinvestoren stehen zwei Wege offen: Der direkte Weg und der indirekte über die Börse. Neben der selbstgenutzten Immobilie, auf die wir hier nicht eingehen werden, bieten geschlossene Fonds die Möglichkeit, sich unternehmerisch an gewerblichen Immobilien zu beteiligen. Immobilien Aktien sind der zweite Weg, der einen Zugang zu großen Immobilienportfolios bietet und damit diversifizierter ist als geschlossene Fonds. Dafür enthalten Immobilien Aktien aber das Aktienrisiko der Immobilienunternehmen. Wie stark das Einzeltitel-Risiko zum tragen kommen kann, zeigt das Beispiel Adler Group Aktie. Der Kurs des in Verruf geratenen Konzerns ist in den vergangenen Monaten wiederholt unter Druck geraten. In den vergangenen 12 Monaten brach der Kurs der Adler Group Aktie um über 75 Prozent ein.
Freunde der Diversifikation setzen eine Ebene höher an. Sie setzen zumeist entweder auf offene Immobilienfonds oder auf Immobilienaktien Fonds an. Diese beiden Vehikel stehen für physische Immobilien und Immobiliengesellschaften, die an der Börse notiert sind.
Immobilienfonds und Immobilien Aktienfonds sind nichts anderes als zwei Mäntel für den identischen Vermögenswert Immobilie. Beide halten diversifizierte Immobilien-Portfolios, die in Länder, Regionen oder global investieren. In der Vergangenheit hatten offene Immobilienfonds eher konzentrierte Portfolios mit einem Fokus auf einzelne Nutzungsarten, vor allem Gewerbeimmobilien wie Bürohäuser, Einkaufszentren, Logistik und Hotels. Zuletzt sind verstärkt offene Fonds auf den Markt gekommen, die sich auf Wohngebäude spezialisiert haben.
Immobilienaktienfonds sind dagegen zumeist stärker diversifiziert. Sie halten börsennotierte Immobiliengesellschafte, unter anderem REITs. Einer der ältesten und am stärksten beachtete Index für Immobilienaktien ist der US-Index FTSE Nareit All Equity REITs, der häufig gegen den S&P 500 ins Rennen geschickt wird. Die Sektoraufteilung zeigt eine breite Streuung über 16 Sub-Sektoren, von denen nur einer ein Gewicht von über zehn Prozent hat.
Der Königs-Index der Immobilien Aktien: Die Branchen im FTSE Nareit All Equity REITs
Im Gegensatz zu Deutschland, wo Fonds für Immobilien Aktien keine große Bedeutung haben, sind REITs bzw. Immobilien Aktien in den USA ein ziemlich heißes Ding. Befürworter von REITs liefern sich seit Jahren Debatten mit S&P 500 Fans um die Frage, wer die bessere Performance-Bringer sind. Erstere sehen REITs wegen ihrer hohen Ausschüttungen, der Unterlegung mit “Sachwerten” und auch des langfristig guten Gesamtertrags als dem breiten Aktienmarkt als überlegen an. Tatsächlich haben Immobilien Aktien in der Vergangenheit in vielen Marktphasen mehr gebracht als der breite Aktienmarkt, wie die untere Grafik illustriert.
In den vergangenen 20 Jahren hat der REITs-Index den S&P deutlich outperformt: kumuliert 546 Prozent versus 454 Prozent für den S&P 500. Allerdings waren REITs wegen der Immobilienkrise nichts für schwache Nerven. Seit Anfang 2000 belief sich die annualisierte Volatilität auf gut 20 Prozent versus nur 15 Prozent pro Jahr beim S&P 500. Auch der Drawdown von 68 Prozent zwischen 2007 und 2009 war deutlich schmerzhafter als beim breiten Markt, der “nur” um 51 Prozent am Tief einbrach.
Immobilien Aktien versus S&P 500 in den vergangenen 20 Jahren
Was zeichnet Immobilienfonds und Immobilien Aktienfonds aus? Theoretisch sollte die Performance der beiden Fondsarten von den Mietrenditen und der Wertentwicklung der Portfolio-Gebäude bestimmt werden. Doch das ist nicht der Fall. Bei offenen Immobilienfonds werden die Objekte einmal pro Jahr von unabhängigen, vereidigten Sachverständigen bewertet. Das führt zu einem sehr konservativen Bewertungszyklus. Das wiederum bringt eine Glättung der Volatilität der Fondspreises. Diese Art der Preisbildung hat deshalb einen stabilisierenden Effekt, weil sich die Gutachter vor allem an den längerfristigen Gegebenheiten des Markts und der Portfolio-Immobilien richten. Kurzfristige preisbeeinflussende Faktoren spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.
Anders bei Fonds für Immobilien Aktien. Sie sind dem ständigen Auf und Ab des Aktienmarktes ausgesetzt – die Kurse von Vonovia und Co. in diesem Jahr lassen grüßen. Während Anleger in Immobilien Aktien derzeit Krisenszenarien wie eine weiter stark steigende Inflation, steigende Zinsen und damit höhere (Re-)Finanzierungskosten und verzögerte Projektabwicklungen einpreisen, geht es bei den Gutachtern eher gemächlich zu.
Tatsächlich haben sich die Preise der offenen Immobilienfonds in diesem Jahr kaum nach unten bewegt. Das ist auf den ersten Blick ein großer Vorteil von offenen Immobilienfonds. Sie lassen sich nicht vom Auf und Ab der Märkte anstecken. Kein Wunder, dass über 125 Milliarden Euro von Anlegern aus Deutschland in diesen Vehikeln stecken – privaten wie institutionellen. Der Deutsche mag es gerne stabil, auch wenn die Schwelle zur Zeitenwende überschritten wurde.
Die untere Grafik zeigt den unterschied zwischen vier Fondskategorien: Immobilien Aktien Europa und global einerseits, offene Immobilienfonds Europa und global andererseits. Während die Aktien-Kategorien per 12.5. in diesem Jahr deutlich nachgaben, traten global anlegende offene Immobilienfonds auf der Stelle, europäische offene Immobilienfonds konnten sogar durchschnittlich ein Plus von 1,3 Prozent verbuchen. Langfristig sieht das Performance-Bild genau umgekehrt aus. Während offene Immobilienfonds in den vergangenen Jahren fünf bis zehn Jahren im Schnitt maximal 3,5 Prozent pro Jahr einbrachten, konnten Fonds für Immobilien Aktien zwischen 6,5 und 7,5 Prozent einbringen. Preisfragen: Wessen Performance preist den kommenden Abschwung genauer ein und welche Performance spiegelt die langfristigen Chancen der Asset Klasse Immobilien besser wider?
Vier Fondskategorien 2022: Pyrrhussieg für offene Immobilienfonds?
So sehr die Draw Downs bei Immobilien Aktien derzeit schmerzen, so könnte auf den zweiten Blick die Mark to Market Bewertung die realistische Sicht der Dinge widerspiegeln. Während die aktuellen Immobilienpreise die Hausse der Vergangenheit widerspiegeln, preisen Immobilien Aktien die schwierigen Zeiten ein, die der Konjunktur und den Vermögenswerten (inklusive Immobilien!) bevorstehen.
Kurzfristig schlägt bei Immobilien Aktien die Volatilität des Aktienmarkts voll durch. Das bringt brutale Verluste mit sich. Indes besteht über die Datenlage dank der zeitnahen Berichtspflichten von börsennotierten Unternehmen eine hohe Transparenz über Lage und Qualität der Immobilien in den Portfolios. Anleger können täglich taxieren, was die Akteure am Aktienmarkt für diese Objekte zu zahlen bereit sind. Sie können somit abschätzen, ob die Immobilien günstig, fair oder zu teuer bewertet sind. Zudem ist der Aktienmarkt so liquide, dass Investoren die Konsequenzen aus ihrer Analyse zeitnah und ohne hohe Transaktionskosten ziehen können.
Anders bei offenen Immobilienfonds. Sie mögen zwar das widerspiegeln, was Immobilien nach Einschätzung von Gutachtern auf die lange Sicht wert sein könnten. In guten Zeiten mag das gut funktionieren, aber in konjunkturellen Abschwungphasen hinken die Bewertungen dem realistischen Wert von Immobilien hinterher. Natürlich gibt es auch bei offenen Immobilienfonds Abwertungen, doch die hinken den realen Entwicklungen hinterher.
Zudem sind offene Immobilienfonds nicht liquide. In einer Situation, in welcher der Markt nicht bereit ist, den langfristig ermittelten gutachterlichen Wert der Immobilien zu bezahlen, kann das zum Problem für Anleger werden. Etwa dann, wenn ein Fondsmanager vor der Situation steht, eine Immobilie verkaufen zu müssen, etwa bei Mittelabflüssen. Dann tritt das Fristenproblem zutage: Ein Fondsmanager kann Immobilien nicht in derselben Geschwindigkeit eine Immobilie verkaufen, wie ein Anleger seine Fondsanteile zurückgibt. Das hat Immobilienfonds in der Vergangenheit wiederholt Liquidätskrisen beschert, die bis hin zur Handelsaussetzung und Zwangsliquidation auch großer Fonds reichten.
Offene Immobilienfonds erfüllen also nur so lange die Funktion des konservativen Immobilienportfolios mit stabilen Cashflows und wenig schwankendem Wert, bis es einen Run auf die Fonds in einem zyklischen Abschwung gibt. Auch wenn eine grundlegende Reform offene Immobilienfonds 2013 sicherer gemacht hat, bleibt das grundlegende Fristigkeiten- bzw. Liquiditätsparadoxon grundlegend bestehen. Werden Anleger tatsächlich für die eingegangen Liquiditätsrisiken entlohnt? Meine Antwort: Ich hoffe, dass die Probe nicht aufs Exempel statuiert wird!
Fazit: Immobilien Aktien als ehrlicher Frühindikator
Unser Parforceritt durch die Welt der Immobilien-Investments zeigt, dass sich bei Immobilien Aktien hinter der scheinbar dramatischen Volatilität eine undramatische Form der Preisfindung steckt. Die Unsicherheit über die Entwicklung der Konjunktur hat Aktien Anleger aktuell in den Risk-off Modus geführt, und das spiegelt sich auch bei Immobilien Aktien wider. Die reduzierten Wachstumserwartungen von IWF und Co. dürften angesichts der trüben Aussichten auf einen langen Krieg in der Ukraine nicht das Ende der Fahnenstange sein. Das setzt Immobilien Aktien unter Druck.
Der ohnehin weit fortgeschrittene Immobilienzyklus verheißt angesichts des schwierigen Umfelds nichts gutes für den Immobilienmarkt. Wir haben gesehen, dass die Immobilienwirtschaft nicht synchron mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung läuft. Es handelt sich um einen spätzyklischen Sektor. Börsennotierte Immobiliengesellschaften fallen hier aus dem Rahmen, weil sie die frühzyklische Aktienkomponente beinhalten.
Bildlich gesprochen können Anleger in Immobilien Aktien im Angesicht der nahenden Klippe noch bremsen oder schon einmal den Fallschirm auspacken. Derweil steuern Anleger in offenen Immobilienfonds noch mit Volldampf auf den Abgrund zu – ohne die Möglichkeit zu reagieren. Wir erinnern uns, dass bei offenen Immobilienfonds Kündigungsfristen von zwölf Monaten gelten. Mitgefangen, mitgehangen.
Bei aller Begeisterung für die gigantischen Sharpe Ratios von offenen Immobilienfonds wird zudem oft zu wenig auf die Performance geschaut. Langfristvergleiche zeigen, dass Immobilien Aktien oft mit dem breiten Markt mithalten können. Die hohen Cashquoten bei offenen Immobilienfonds und die konservative Bewertungsmethodik führen dazu, dass diese faktisch riskanter sind als Aktien. Schließlich besteht das größtes Risiko eines Investments darin, dass Anleger nicht ihre finanziellen Ziele erreichen. Vor diesem Hintergrund sind offene Immobilienfonds zwar wenig volatil, aber doch alles andere als risikolos.
Disclaimer
Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
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Eine Antwort
Interessanter Artikel, der die Zusammenhänge aus Immo-Wirtschaft, -Fonds und -Aktien klasse beschreibt. Und dazu heute relevanter als je zuvor. Der Immobilienmarkt bleibt sehr spannend und ich werde die im Artikel beschriebenen Muster weiter verfolgen. Herzlichen Dank fürs‘ Schreiben!