Wirecard Update – Wachstum steigt, Zweifel bleibt

18. Oktober 2019

Wirecard Wachstum steigt Zweifel bleibt - Person am Notizboard

Vor etwa einem Jahr haben wir an dieser Stelle das Unternehmen Wirecard porträtiert: Wirecard Aktie – Der Zweifel ist Dein bester Freund. Wir haben damals erklärt, warum wir trotz beeindruckender Wachstums- und Profitabilitätszahlen nicht in das Unternehmen investieren. Es war vorherzusehen, dass Wirecard mit dem Erfolg und dem Einzug in den DAX-Index unters Mikroskop kommt und bilanziell filetiert wird.

Fundamental hat Wirecard geliefert. Organisch ist das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2019 im Vorjahresvergleich 32,9 Prozent gewachsen, die Umsätze um 34,6 Prozent, das EBITDA sogar um 35,6 Prozent. Auch zahlreiche neue Großkunden konnte das Unternehmen vermelden.

Die Zweifel sind aber geblieben.

Denn das Wachstum und das Kundenportfolio waren nie das Problem von Wirecard. Als wir unsere Wirecard-Story letztes Jahr veröffentlicht haben, notierte der Aktienkurs bei 170 Euro. Heute notiert die Aktie bei etwa 115 Euro. Der Aktienkurs stünde vermutlich auch nicht höher, wenn Wirecard noch 10 Prozent mehr Wachstum und 10 Großkunden mehr verkündet hätte. Wirecard hat ein größeres Problem als Zahlen:  Wirecards Management hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Wirecards Vertrauenskrise

Die zahlreichen Artikel der Financial Times (FT) mögen bisher noch nicht belegen, dass Wirecard die Bilanzen frisiert und die Zahlen fingiert hat. Allerdings belegen sie sehr wohl wie komplex und intransparent die Wirecard-Welt ist mit ihren mehr als 300.000 Kunden und Partnern, ihren zahlreichen juristischen Einheiten und Buchungsstellen.

In dem jüngsten Artikel behauptet die FT, dass Wirecard mit AL Alam, einem Zahlungsdienstleister aus Dubai, 2016 mehr als die Hälfte der Gewinne erwirtschaftet hat. Wirecard verweist darauf, dass „etwas weniger als die Hälfte des Transaktionsvolumens im Backend über das Wirecard-Netzwerk von mehr als 100 Finanzinstituten und Anbietern von Zahlungsakzeptanzdienstleistungen abgewickelt“ wird und dass „der größte Einzelpartner… etwa 12 Prozent des Transaktionsvolumens von Wirecard im Geschäftsjahr 2018“ ausgemacht hat. Auf das Jahr 2016 geht das Unternehmen nicht ein, stattdessen weist Wirecard „Fehlverhalten kategorisch zurück“ und spricht von „verleumderischen Artikeln“. Es ist das Recht und auch die Pflicht des Unternehmens sich gegen so fundamentale Vorwürfe zur Wehr zu setzen, aber die derzeitige Strategie muss man angesichts des Aktienkurses bisher für gescheitert erklären.

Mit dem jüngsten Artikel hat die FT auch zahlreiche Arbeitsmappen und interne Gespräche aus der Wirecard-Welt der Öffentlichkeit präsentiert. Wohl auch um andere Parteien einzuladen, sich mit den Daten zu beschäftigen. Entgegen ursprünglicher Äußerungen hat Wirecard zuletzt nicht mehr bestritten, dass es sich dabei um echte Dokumente handelt. In einer Email-Korrespondenz schreibt M&A Leiter Lars Rastede an den damaligen Leiter der Rechnungslegung in Asien, Edo Kurniawan: „If in 2017 Maxcone generates more Gross Profit than annual depreciation, EY has to accept it. No fuc**ing Impairment Test is necessary!“

Wenn man bedenkt, wie einfach in einem Konzern durch Verschiebung von Kosten die Bruttomargen von einzelnen Töchtern “massiert” werden können, dann wirft diese Praxis auch ein bedenkliches Licht auf den Wirtschaftsprüfer Ernst&Young (EY).

Radikale Transparenzoffensive notwendig

Wirecard wird sich aus dieser Vertrauenskrise nur durch eine radikale Transparenzoffensive befreien können. Dazu sind wahrscheinlich Sonderprüfungen notwendig, personelle Änderungen im Management und auch eine konstruktivere Kommunikationspolitik. In Ansätzen kommuniziert das Unternehmen auch offener. CEO Markus Braun, der in der Payment-Branche als brillanter Kopf respektiert wird, scheut zwar das Tageslicht nicht mehr, aber Interviews alleine werden nicht ausreichen.

Fazit

Wir werden die Entwicklung bei Wirecard weiterhin von der Seitenlinie aus beobachten. Die Payment-Branche wächst unaufhaltsam. Wir sind mit Unternehmen wie MasterCard, PayPal, Square direkt und indirekt mit Tencent, Alibaba und Google sehr prominent in diesen Markt investiert.

Neben einer starken Konsolidierung beobachten wir, dass sich immer mehr nationale Champions mit klarem Fokus in dem Markt etablieren. Wer wie wir bei The Digital Leaders Fund in Payment investieren und ruhig schlafen möchte, der hat genügend Alternativen zu Wirecard. Wir werden diese Alternativen immer wieder in unserem kostenlosen Newsletter vorstellen, zu dem Du Dich hier anmelden kannst.


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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

Baki Irmak

Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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4 Antworten

  1. Naja, die Frage aller Fragen bleibt immer noch unbeantwortet:
    Was/wer ist Al Alam und wieso ist dieser Vermittler für die Hälfte des Gewinns verantwortlich?

    Die anderen offenen Punkte interessieren mich erst zweitrangig.

  2. Guter Artikel! Ich bin bei Ihnen bezüglich des Glaubwürdigkeitsproblems, wobei man sagen muss, dass „Wirecard“ eine gute Vorlage bietet. Historisch gesehen wurde dieses Unternehmen schon mehrmals angegriffen.

    Zum Beispiel 2008 durch die SdK. Später kam heraus, dass SdK-Vorstand Markus Straub mit Derivaten auf den Kursverfall bei Wirecard gewettet hat. In rund sieben Wochen hat Straub eine Million Euro verdient. 2011 erhob die Staatsanwaltschaft München gegen Straub eine Verurteilung. Damals fiel der Aktienkurs von 10 Euro auf 3,40 Euro (Juli 2008). Und so ging es munter weiter im Jahr 2010, 2015 (J Capital Research), 2016 (Zatarra) und nun 2019. Von 2015 bis 2019 wurden immer die Anschuldigungen erstmalig von der FT veröffentlicht. Meiner Meinung nach hinterlässt dies einen merkwürdigen Eindruck des Zeitungsverlags.

    In der heutigen Zeit kann man mit einem traditionsreichen Geschäftsmodell, wie analog und digital Artikel nicht mehr gut Geld verdienen. Die Zeiten haben sich gewandelt. Das heißt natürlich nicht automatisch, dass dies ein Freifahrtsscheins für den Beschuldigten ist.

    Abschließend haben Sie ja schon mit Goethe’s Zitat: “Ein Kerl, der spekuliert ist wie ein Tier, auf dürrer Heide, von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, und ringsumher liegt schöne, grüne Weide.”, gesagt, dass es auch andere Möglichkeit im digitalen Payment Bereich gibt. Wobei die aufgeführten Unternehmen: MasterCard, PayPal, Square, Tencent, Alibaba und Google keine Aquirer sind und somit eigentlich auch nicht direkt mit Wirecard verglichen werden sollten – trotz der gleichen Branche.

    Da sollte man dann eher auf Adyen, Worldline schauen, falls es europäische Unternehmen sein sollten. Ansonsten Fiserv oder Fidelity National Information Services.

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