Die Agora-Aktie weist auch dieses Jahr mit einem Minus von knapp 30 Prozent eine unterirdische Wertentwicklung auf. Die fundamentale Entwicklung des Unternehmens zeigt allerdings in die richtige Richtung. Warum wir für den chinesischen Platform as a Service Anbieter optimistisch gestimmt sind.
In diesem Jahr haben wir die Agora-Aktie auf einem tiefen Niveau in den TheDLF aufgenommen. Seitdem hat sich die Aktie etwas erholt. In dieser Woche gab es Quartalszahlen. Wir haben diese analysiert und gehen mit diesem Artikel auf Chancen und Risiken eines Investments in Agora-Aktien ein.
Vor drei Jahren haben wir in einem Blogartikel das Unternehmen vorgestellt. Agora bietet seinen Kunden Schnittstellen an, um Real-Time Kommunikationslösungen wie Video- und Audio-Calls in Applikationen zu integrieren. Der Gründer und CEO Tony Zhao hat früher zusammen mit Zoom-Gründer Eric Yuan bei WebEx gearbeitet. Während letzterer sich mit der Endkundenlösung Zoom selbständig gemacht hat, wollte Tony Zhao mit einer B2B-Lösung Unternehmen ermöglichen, eigene Video-Call-Services zu entwickeln. Das hat zunächst auch sehr gut geklappt. Leider lag aber der Fokus des Unternehmens zu sehr auf der boomenden EdTech-Branche in China. Nach den verheerenden regulativen Eingriffen dort vor zwei Jahren ist die Aktie gecrasht und hat sich seither kaum erholt, obwohl einige EdTech-Werte dieses Jahr wieder deutlich besser laufen.
Agora-Aktie: Quartalszahlen – Schwaches Topline, starke Kostendisziplin
Auf den ersten Blick sehen die Zahlen bescheiden aus: Der Umsatz ist um 14,6 Prozent (immer gegenüber Vorjahresquartal) auf 35 Millionen Dollar gefallen. Analysten hatten im Schnitt mit 35,1 Millionen Dollar gerechnet. Der Verlust je ADR lag im dritten Quartal bei 23 Cents, die Erwartungen lagen bei einem Verlust von 7 Cents.
Die Aufwendungen konnte das Unternehmen deutlich drücken. Die operativen Kosten fielen um 33 Prozent auf 36,9 Millionen. Dennoch lag der operative Verlust bei 13,9 Millionen Dollar. Grund: Agora hat bei einigen Investments einmalige Aufwendungen für Marktbewertung (7 Millionen. Dollar) und Verluste (6 Millionen Dollar) bilanziert. Ohne diese Aufwendungen lag der Verlust (Non-GAAP) bei 2,2 Millionen Dollar.
Der Free-Cashflow lag im dritten Quartal bei nur Minus 3,2 Millionen Dollar, eine deutliche Steigerung gegenüber dem Minus von 9,9 Millionen Dollar im Vorjahr. Das Unternehmen hat eine sehr komfortable Liquiditätsausstattung, dazu gleich mehr unter der Headline “Positiv”.
Die Zahl der Kunden ist im internationalen Geschäft (Agora) um 26,2 Prozent auf 1.664 gestiegen; das chinesische Geschäft (Shengwang) weist mit 4.034 nun 6,3 Prozent mehr Kunden aus. Allerdings haben beide Kundensegmente weniger gebucht. Die Net-Retention-Rate bei Agora lag bei 98 Prozent, bei Shengwang bei nur noch 89 Prozent.
Die Guidance fiel eher bescheiden aus. Für das vierte Quartal erwartet Agora einen Umsatz von ca. 36,5 Millionen Dollar. Das wäre ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 9 Prozent.
Die Kursreaktion auf die Zahlen war negativ, die Agora-Aktie verlor knapp 9 Prozent.
Positiv
So schlecht die Zahlen auch im Vorjahresvergleich aussehen, sequentiell ist eine Stabilisierung und sogar eine Steigerung festzustellen.
Umsatzentwicklung Agora regional
Das internationale Geschäft verzeichnet seit den letzten drei Quartalen eine leichte Zunahme; das Geschäft in China wächst seit dem vergangenen Quartal ebenfalls. Für das vierte Quartal ist ein sequentielles Wachstum von 4 Prozent angekündigt.
Das Unternehmen hat nach drastischen Kostensenkungen die Bruttomarge von 59 Prozent vor einem Jahr auf nun 64 Prozent gesteigert. Ohne die Einmalaufwendungen wären die Verluste deutlich reduziert worden. Im vierten Quartal könnte das Unternehmen sogar das angepeilte Break-even erzielen.
Die finanzielle Solidität ist herausragend. Agora hat kurzfristige liquide Mittel in Höhe von 179 Millionen Dollar. Darüber hinaus hat das Unternehmen im ersten Quartal Cash in langfristige Anlagetitel investiert. Den Liquiditätsbestand gibt das Unternehmen daher mit 374 Millionen Dollar an, bei gerade mal 4 Millionen Dollar Schulden. Bei einer Marktkapitalisierung von 290 Millionen Dollar ergibt sich daraus ein negativer Unternehmenswert von 84 Millionen Dollar. Ein negativer Unternehmenswert ist eher selten – wenn zum Beispiel massiv Cash verbrannt wird beziehungsweise extrem hohe Fixkosten das Unternehmen belasten. Beides liegt hier nicht vor.
Auch das Management hält Agora offenbar für unterbewertet und kauft Aktien zurück. Von dem Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 200 Millionen Dollar hat das Unternehmen fleißig Gebrauch gemacht und Agora-Aktien im Wert von 94 Millionen Dollar zurückgekauft. Das hat den Kurs im Jahresverlauf etwas stabilisiert. Ich gehe davon aus, dass das aktuelle Programm, das im Februar 2024 ausläuft, verlängert wird.
Auch operativ gibt es einige Lichtblicke. Das Geschäft mit Großkunden wie BMW, die Agora in ihrer digitalen Transformation begleitet, ist gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent gewachsen. Ein weiteres Wachstumsfeld sind neue Anwendungen bei Inhalten, die durch künstliche Intelligenz erzeugt werden (Artificial Intelligence Generated Content, AIGC). OpenAI hat kürzlich ein neues Produkt vorgestellt, das eine Konversation zwischen Menschen und AI-Modellen erlaubt. Allerdings dauert die Antwortzeit dieser Lösungen aktuell 6-7 Sekunden. Agora hat eine Lösung unter dem Namen AIGC RTE SDK herausgebracht, die die Latenzzeit auf 2 Sekunden reduziert. Das klingt sehr vielversprechend, ich bin allerdings gespannt, ob es auch zu Umsätzen führt.
Negativ
Mich haben weniger die Profitabilitätskennziffern, sondern das magere Topline-Wachstum enttäuscht. Der Newsflow zu neuen Anwendungsfällen und Partnern in den letzten Monaten war positiv, das sieht man auch am Wachstum der Kundenzahl. Offensichtlich ist aber die Neupositionierung von Agora hin zu mehr Geschäft außerhalb von EdTech, mehr Legacy-Unternehmen statt Start-ups und mehr Fokus auf das internationale Geschäft, bisher kein großer Umsatzbringer.
My Take zur Agora-Aktie
China-Aktien sind unbeliebt. Dafür gibt es gute Gründe, wir sind in einigen Blogartikeln darauf eingegangen. China-Titel der zweiten und dritten Reihe werden von Investoren mit brutaler Missachtung bestraft. Nicht anders kann ich mir erklären, dass ein Unternehmen wie Agora, das professionell gemanagt wird, Kapital an die Aktionäre allokiert, auf dem besten Weg ist, profitabel zu werden und Cash zu generieren, mit einem negativen Unternehmenswert bestraft wird. Irgendwann sollten Investoren trotz aller politischen Risiken die relative Attraktivität von Agora nicht mehr ignorieren. Daher fühlen wir uns mit unserer Position in Agora-Aktien derzeit wohl.
Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Agora. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
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