Die Digitalisierung und das Solow’sche Produktivitätsparadoxon

15. August 2019

Solow’sches Produktivitätsparadoxon - Illustration Zeit stoppen Statistiken (1)

Der folgende Beitrag ist zuerst erschienen in DAS INVESTMENT Ausgabe September 2019.

Die erfahrenen Investoren werden sich erinnern. Ende der 90er Jahre wurde die Börsenrallye gerne auf den Anstieg der Produktivität zurückgeführt. In der Tat hatte in den USA die Arbeitsproduktivität, also der Output pro Stunde oder pro Beschäftigte, in den Jahren 1990 von 1,5 Prozent kontinuierlich bis 2001 auf 2,4 Prozent zugelegt. Die naheliegende Erklärung vieler Ökonomen: Die technologische Entwicklung. Seither hat der technologische Fortschritt deutlich an Tempo gewonnen. Die Digitalisierung hat die Unternehmen zu massiven Investitionen und zu radikalen Veränderung ihrer Geschäftsprozesse gezwungen. Von daher sollte man auch annehmen, dass die Produktivität in den letzten Jahren deutlich angezogen hat. Das Gegenteil ist der Fall. Nach OECD-Daten lag in den letzten fünf Jahren die Produktivitätssteigerung in den USA bei etwa 0,9 Prozent, in Deutschland sogar bei nur 0,7 Prozent, trotz nahezu Vollbeschäftigung. „Sie können das Computerzeitalter überall sehen, außer in der Produktivitätsstatistik“, sagte einst der amerikanische Ökonom Robert Solow. Nach ihm wird dieser Widerspruch als Solow’sches Produktivitätsparadoxon bezeichnet.

Solow’sches Produktivitätsparadoxon – Profiteure sind Top-Unternehmen

Seither gibt es unzählige Erklärungsversuche. Neben denen, die eine Messung von Digitalisierungseffekten mit herkömmlicher Statistik bezweifeln, sind zwei empirisch belegte Erklärungen eingängig. Zum einen gibt es Produktivitätssteigerungen, allerdings mehr in IT-lastigen Branchen. Zudem könnten wir uns in Transitjahren befinden, mit vielen Fehlinvestitionen, Zusatzkosten und späten Wirkungseffekten. Die Ökonomen stellen aber auch ein anderes Phänomen fest: Während früher von Produktivitätssteigerungen die Masse profitiert hat, sind die Profiteure derzeit nur die Top-Unternehmen, allen voran die Digitalisierungsgewinner. In einer Studie mit dem Titel „The Best versus the Rest“ hat die OECD festgestellt, dass in den Jahren 2001 bis 2013 die besten 5 Prozent der Service-Unternehmen 44 Prozent Produktivitätssteigerung erzielen konnten. Die anderen 95 kamen gerade mal auf 7 Prozent Steigerung. Die Produktivitätssteigerung Ende der 90er Jahre in den USA ging zu über 16 Prozent auf ein Unternehmen zurück, nämlich Walmart. Heute sind es eher die Amazons und Alphabets, die einsam davon eilen.

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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

Baki Irmak

Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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