Nubank – ein fast makelloser Wachstums-Champion

3. Dezember 2021

Die brasilianische Nubank ist, gemessen an Kunden und monatlich aktiven Nutzern, die größte Digitalbank der Welt (Paymentunternehmen wie Paypal und Chinas Alipay & Co. haben wir hier außen vor gelassen). Nubank hat zuletzt über 48 Millionen Kunden berichtet; die mobile App kommt auf über 35 Millionen monatlich aktive Kunden. Im Unterschied zu den meisten anderen Finanz-Apps leidet Nubank an keiner Post-Corona-Erschöpfung: Das Nutzerwachstum hält unvermindert an.

Nubank - monatlich aktive Nutzer

Nun geht Nubank zur Freude vieler Anleger an die Börse. Auch wir haben frühzeitig Interesse an dem IPO signalisiert und uns das Unternehmen genauer angeschaut. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit der Frage, ob Nubank zum angestrebten Emissionspreis auch ein gutes Investment ist.

Früher Start mit Top-Investoren

Nubank wurde 2013 von dem Kolumbianer David Vélez, der Brasilianerin Christina Junqueira und dem Amerikaner Edward Wible gegründet. Vélez ist heute CEO der Bank, Junqueira leitet das Geschäft in Brasilien, Wible war bis April CTO und nun übergeordnet für die Technologie-Plattformen zuständig. Neuer CTO ist Matt Swann, der zuvor unter anderem CTO von Booking war und davor das Payment-Geschäft für Amazon aufgebaut hat. CFO Guilherme Lago kommt von Credit Suisse. Renee Mauldin, Head of HR, war zuvor in gleicher Position bei Twitter und Uber tätig. Chief Product Officer ist Jagg Duggal; er kommt von Facebook. Top Management also, international, erfahren, divers. Klingt auch gleich beeindruckender als z.B. N26, deren zwei Co-Gründer als Arbeitserfahrung ein Praktikum bei der Deutschen Bank bzw. eine Tätigkeit für die Wiener Städtische Versicherung vorweisen können. 

David Vélez war vorher für die Investments von Sequoia Capital in Lateinamerika zuständig und erkannte früh, wie verschnarcht das Retailbanking in Lateinamerika war und wie stark es von wenigen etablierten Banken dominiert wurde. 2014 launchte Nubank als erstes Produkt nicht etwa – wie sonst üblich – eine Debitkarte, sondern brachte  zusammen mit Mastercard eine Kreditkarte. Danach hat man das Produktangebot um Konto, Kredite, Depots und Versicherungen ausgebaut. Heut gibt es neben Kredit- auch Debitkarten, ein Brokerage-Angebot, Einlagengeschäft, ein Kontoangebot an SMEs, Lebensversicherungen und seit 2019 auch Privatkredite.

Nubank - Partner Solutions
Quelle: Nubank IPO-Prospekt

Nachdem die Nubank den brasilianischen Markt im Sturm erobert hatte, folgte die erfolgreiche Expansion nach Mexiko 2019 und nach Kolumbien 2020. Sollte die Bevölkerungsgröße maßgeblich sein für die Expansionsstrategie von Nubank, dann dürfte bald der Eintritt in Argentinien und Peru folgen. 

Mit seinem Sequoia-Background hat es Vélez früh geschafft, die Crème de la Crème der Investment-Welt für Nubank zu begeistern. Sequoia war schon 2013 als Seed-Investor dabei. Tiger Capital, Founders Fund und Goldman Sachs sind ebenfalls früh eingestiegen. Tencent beteiligte sich 2018, TCV 2019. Bei der letzten und größten Kapitalrunde am 8. Juni konnte Nubank 750 Millionen US-Dollar von unter anderem Berkshire Hathaway und Sands Capital einsammeln. Damit lag die Bewertung des Unternehmens im Sommer bei 30 Milliarden Dollar!

Starkes Umsatzwachstum, hohe Bruttomarge

Wie die meisten reinrassigen Digitalbanken (zu den Ausnahmen gehört die Tinkoff Bank) ist auch Nubank nicht profitabel. In den ersten neun Monaten 2021 hat die Bank einen Nettoverlust von 99 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 1,06 Milliarden Dollar eingefahren. Während der Umsatz um circa 100 Prozent zulegte, sind die Verluste um „nur“ 54 Prozent gestiegen. Für das dritte Quartal sehen die Zahlen deutlich besser aus. Bei einer Umsatzsteigerung von circa 200 Prozent auf 481 Millionen Dollar ist der Nettoverlust nur marginal von 32,5 auf 34,4 Millionen Dollar gestiegen. Allerdings musste man die Wachstumszahlen ein stück weit relativieren, da die Umsatzerlöse 2020 gegenüber 2019 Pandemie-bedingt eher pausierten beziehungsweise auf 2021 verschoben wurden.

Nubank - Bruttomarge
Quelle: Nubank IPO-Prospekt

Auffällig ist, wie gut sich die Bruttomarge von Nubank entwickelt: 47,6 Prozent in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber 46,9 Prozent im Vorjahr. 2018 lag dieser Wert noch bei 35 Prozent. Die Umsätze steigen also deutlich stärker als die Umsatzkosten und die Skaleneffekte sind aus den Zahlen klar abzulesen. Das gleiche gilt auch für die Entwicklung der operativen Kosten. Nubank gibt nach eigenen Angaben kaum Geld für Marketing aus. Die meisten Kunden kommen über die positive Wahrnehmung der Marke und über Empfehlungen. Der NPS liegt nach eigenen Angaben bei über 90. Das wäre einer der besten Werte überhaupt und sicher der beste für ein Finanzinstitut. Die Kundenakquisekosten liegen nach eigenen Angaben bei circa fünf Dollar pro Kunde. Nach zwölf Monaten hätte man im Schnitt die Kosten raus, nach 40 Monaten im Schnitt einen Deckungsbeitrag pro Kunde von circa 50 Dollar. 

Im Prospekt kokettiert das Management nicht nur mit den niedrigen Akquisekosten, sondern auch mit niedrigen operativen Kosten aufgrund der schlanken rein digitalen Aufstellung. Nubank punkte auch mit niedrigen Risikokosten, da man mit Technologie und proprietären Daten die Risiken besser im Griff habe; auch die Fundingkosten sinken nach Angaben des Instituts aufgrund des wachsenden Einlagengeschäfts kontinuierlich (8,1 Milliarden Dollar im dritten Quartal).

Risiken: Interchange-Gebühren in Brasilien unter Druck

Nubank ist ein Technologieunternehmen und eine Bank zugleich. Mit mehr als 1.000 Entwicklern und dem Top-Management hat das Unternehmen wahrscheinlich eine bessere technologische und operative Excellence vorzuweisen als viele Banken. Daher sind unter den vielen Risiken, die das Unternehmen im IPO-Prospekt aufzählt, nach meiner Erfahrung zwei Bank-relevante Risiken besonders gewichtig. Die regulatorischen Risiken und die Kreditrisiken. 

Nubank hat zwei Umsatzquellen, Zinsen und Gebühren. Erste machten in den ersten neun Monaten dieses Jahres 57 Prozent der Umsatzerlöse aus, letztere 43 Prozent. Beide Umsatzquellen sind aber dominiert vom Geschäft mit Kreditkarten. Kauf auf Kredit und revolvierende Kreditschulden führen zu Zinsen. Jede Transaktion führt zu Interchange-Gebühren. In den ersten neun Monate machten Interchange-Gebühren 30 Prozent und Zinseinnahmen über Kreditkarten 23 Prozent des Umsatzes aus. 

Nun sind in Brasilien Interchange-Gebühren für Kreditkarten nicht gedeckelt. In der EU können laut Verordnung maximal 0,3 Prozent des Transaktionswertes als Interchange-Gebühr belastet werden. Das erklärt, warum Nubank mit dem Kreditkartengeschäft gestartet ist und warum auch N26 nach dem Abschied aus den USA nun in Brasilien besonders aufs Tempo drückt. Interchange-Fees für Debitkarten dagegen sind auch in Brasilien gedeckelt, nämlich bei 0,5 Prozent (Gesamtgebühren der Transaktion bei 0,8 Prozent). Allerdings galt das bisher nicht für spezielle Debitkarten, die von Neobanken ausgegeben wurden. Das soll sich nun ändern. Dazu heißt es im Prospekt: 

„With regard to interchange fees, the Central Bank of Brazil launched on October 8, 2021 Public Consultation No. 89, or “Public Consultation 89/21,” which proposes to repeal Circular No. 3,887/2018 and impose a cap of 0.5% for interchange fees charged in domestic purchase transactions carried out using debit cards (including the debit cards that we currently offer).

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Neobanken nicht mehr bevorteilt, nachdem diese die etablierten Platzhirsche ohnehin nahezu überholt haben. Das Gesetz soll Ende dieses Jahres verabschiedet werden. Es würde das Geschäft von Nubank belasten, wenn das Unternehmen auch aktuell mehr mit Kreditkarten verdient. Im Schnitt erhält Nubank aktuell 1,1 Prozent Interchange-Fee vom Transaktionswert. Allerdings wächst der Transaktionswert schneller als die durchschnittliche Interchange-Fee. Grund: Das Geschäft mit Debitkarten wächst stärker als das mit Kreditkarten. 

Es ist zudem nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber künftig auch eine Grenze für Kreditkarten-Gebühren einführt. 

Auch das Kreditrisiko darf man nicht unterschätzen. Nubank betreibt das Geschäft erst seit kurzem; man ist mit keinem großen Kreditbuch durch diverse Kreditzyklen gesegelt, um ein robustes Kreditmanagementsystem aufzubauen. Da helfen auch tausende von Datenpunkten für die Kreditentscheidung zunächst wenig.

Bewertung

Nubank wollte ursprünglich mit einer Bewertung von 50 Milliarden Dollar an die Börse gehen. Aufgrund des aktuellen Abverkaufs von Highgrowth-Unternehmen und des schlechten Sentiments in Brasilien hat man die Emissionsspanne nun auf acht bis neun Dollar gesenkt. Das Unternehmen soll nach aktuellem Plan zwischen 36 und 41 Milliarden Dollar wert sein. Wenn wir für 2021 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Dollar unterstellen, dann kommt Nubank auf ein EV/Sales Wert von circa 20. Das entspricht der Bewertung von SaaS Unternehmen mit hohen Subskriptionseinnahmen. Itau Unibanko, die profitable und führende brasilianische Bank, kommt aktuell auf einen Börsenwert von 39 Milliarden Dollar, und das bei einem KGV von acht und EV/Sales von 1,7. 

Die Itau Bank ist sicher keine gute Benchmark. Vergleichbare Unternehmen sind aber schwierig zu finden. Wir haben zum Vergleich Pagseguro und Square (demnächst in Block umbenannt)  herangezogen. Beide sind eigentlich als Payment-Unternehmen mit einem Angebot an kleine und mittelgroße Unternehmen gestartet, sind aber sehr erfolgreich in das Endkundengeschäft eingestiegen. Mit der Cash-App hat Square ähnlich viele Kunden begeistert wie Nubank. 

Das Umsatzmultiple (Market Capital/Sales) ist bei Square mit fünf deutlich niedriger. Allerdings hat Nubank eine viel höhere Bruttomarge. Daher ist es sinnvoller, das Rohertragsmultiple heranzuziehen. Aber auch dieses Multiple liegt bei Nubank doppelt so hoch, obwohl Square mittlerweile ein profitables Unternehmen ist. Dagegen wächst Nubank ungleich stärker als das Unternehmen Square, das im letzten Quartal „nur“ noch 25 Prozent Umsatzwachstum verzeichnen konnte. 

Auch der Vergleich mit Pagseguro fällt ungünstig aus. Pagseguro wächst Top-line immerhin noch mit über 50 Prozent und ist profitabel.

Nubank - Vergleich Pagseguro

Fazit zur Nubank Aktie

Bei Nubank stimmt fast alles: Top-Management, traumhaftes Kundenwachstum ohne nennenswerte Werbekosten, eine funktionierende digitale Plattform mit großen Skalen- und Netzwerkeffekten. Beeindruckend ist auch, dass mehr als 50 Prozent der Kunden in den älteren Kohorten das Nubank-Konto als Primärkonto, also als Gehaltskonto, wählen. Ideale Bedingungen, um Upselling zu betreiben. 

Leider ist das Unternehmen auch „priced for perfection“. Ich kann jeden verstehen, der bei diesem IPO in Versuchung gerät, mitzumachen. Wir werden uns allerdings zurückhalten. Seit der letzten Bewertung von Nubank in Höhe von 30 Milliarden Dollar hat sich der Wert von Pagseguro halbiert, der von Stoneco sogar geviertelt. Ich hätte mir daher gewünscht, dass das Unternehmen zu einem deutlich günstigeren Preis den Weg an die Börse wagt.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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