Connected Fitness: Apple greift Peloton an

18. September 2020

Peloton Apple Connected Fitness - Frau macht Fitness Übung zu Hause an Fernseher mit Peloton und Peloton Bike

Peloton hat für das abgelaufene Quartal überragende Zahlen vorgelegt, die deutlich über den Markterwartungen lagen. Allerdings hat die Aktie im Vorfeld der Zahlen auch eine beeindruckende Kursrallye hingelegt. Seit unserem Einstieg in die Peloton Aktie im April 2020 ist diese über 300 Prozent gestiegen.

In unserem letzten Update „Peloton wird zu einem Kulturphänomen“ haben wir die Frage gestellt, ob die Börse im Fall von Peloton jeglichen Bezug zur Realität verloren hat und Thesen formuliert, die eine sportliche Bewertung wie aktuell rechtfertigen könnten. In diesem Kontext wollen wir uns die Entwicklung bei Peloton noch mal ansehen.

Entwicklung der Peloton Aktie

Beeindruckende Quartalszahlen von Peloton

Im abgelaufenen Quartal (Q4 bei Peloton) hat das Unternehmen den Umsatz um 172 Prozent auf 607 Millionen Dollar gesteigert, damit lag man 100 Millionen Dollar über der eigenen Guidance.

Die Bruttomarge stieg von 46,8 in Q3 auf nun 47,6 Prozent. Peloton ist im Q4 ein profitables Unternehmen geworden. Der Nettogewinn im Q4 betrug 89,1 Millionen Dollar, nach einem Verlust von 55,6 Millionen Dollar im Q3 und 71,6 Millionen Dollar im Vorjahresquartal.

Die adjustierte EBITDA-Marge beträgt nun 23,7 Prozent. Die Zahl der Abonnenten mit Fitnessgerät (Connected Fitness Subscribers, CFS) stieg um 113 Prozent auf nun 1,09 Millionen.

Die Zahl der Kunden, die ausschließlich die App nutzen und dafür zahlen stieg bis zum Ende des Quartals sogar um 210 Prozent auf nun 316 800. Aktuell sind es sogar schon über 500.000 Digital Subscriber.

Das kostenfreie Angebot der App für drei Monate während des Lockdowns war aufgrund der  guten Konversionsrate zur Bezahllösung somit ein voller Erfolg. Die Gesamtzahl der Mitglieder wird nun mit 3,1 Millionen angegeben.

Entwicklung der Peloton Nutzer - Statistik
Quelle: Peloton

Die Metriken für das Kundenengagement sind noch beeindruckender: Im Q3 wurden über 76 Millionen Workouts von Kunden absolviert, eine Steigerung von 333 Prozent gegenüber Vorjahr. Im Schnitt haben Peloton-Kunden (CFS) 24,7 Trainingseinheiten monatlich durchgeführt, ein Jahr zuvor lag der Wert bei 12. Von wegen Fitnessgeräte zu Hause verrotten zu Staubfängern und Wäscheständern.

Die Kunden nutzen die Live-Kurse mit einer bemerkenswerten Frequenz und holen so das Beste aus dem Angebot raus, werden fitter und so zu perfekten Botschaftern des Unternehmens.

Der Net Promoter Score beträgt nach Unternehmensangaben 94 Prozent. Ich kenne kein Unternehmen mit einem höheren Wert. Mit knapp 25 Workouts zahlen Kunden im Schnitt 1,5 Dollar pro Workout. Das sieht dann plötzlich nicht mehr teuer aus. Die Stornoquote, „Average Net Monthly Connected Fitness Churn”, lag bei 0,52 Prozent. Von solchen Werten können Fitnessstudios nur träumen.

Statistik Wachstum Peloton Auszeichnungen
Pelotons Community- und Engagement-Metriken – Quelle: Peloton

Peloton als Kulturphänomen

Eine unserer Thesen im letzten Update vom Juni war: „Vieles deutet darauf hin, dass es Peloton gelingt, ein kulturelles Phänomen zu werden, somit höhere Preise im Markt durchzusetzen (siehe Apple), die Marketingausgaben sukzessive zu reduzieren (siehe Tesla) und damit ein hochmargiges Business zu betreiben.“ 

Die operativen Kosten, die vornehmlich aus Marketing und Vertrieb resultieren, machten im Q4 nur noch 32,7 Prozent der Umsätze aus. Im Vorjahresquartal waren es noch 66,9 Prozent. Das Unternehmen pausiert aktuell mit den Marketingausgaben, da Name und Produkt schon längst viral gehen. Selbst Adidas-CEO Kasper Rorsted zeigt sich in einem Interview mit der FAS begeistert: „Kern dieses Geschäfts ist nicht das Rad, sondern das Coaching, der interaktive Unterricht über einen Bildschirm. Peloton bezeichnet sich ja selbst auch nicht als Sport-, sondern als Tech-Unternehmen. Das ist nicht unsere Sache. Aber wir haben eine Kooperation mit Peloton vereinbart: Wir werden Kleidung für Peloton entwickeln. Ich habe selbst so ein Rad gekauft für zu Hause. Irgendwann war ich genug spazieren, der Hund wollte auch nicht mehr raus. Seither strample ich auf dem Gerät. Ich genieße das.“ 

Natürlich ist das Selbstverständnis von Peloton hier etwas naiv erfasst. Peloton sieht sich als Fitness Company, oder präziser als Marktführer für Connected Fitness. Wie immer ist Technologie nur ein Enabler. Bei so einer fatalen Fehleinschätzung der Entwicklungen ist es nur konsequent, dass Peloton nach App-Nutzerzahlen in den USA nicht nur Adidas Runtastic, sondern sogar zeitweilig die Adidas-App überrundet hat.

Vergleich App Downloads Peloton und Adidas
Quelle: Sensor Tower

Immerhin darf Adidas jetzt Peloton-Fashion produzieren, die nach Unternehmensangaben mehr als 100 Prozent wachsen. Auch ein Indiz für das kulturelle Phänomen.

Kooperationen wie mit der DFB Akademie, die Mitgliedern das gemeinsame Training mit Hochleistungssportlern ermöglicht, werden den Kultstatus weiter fördern.

Apple startet Fitness-Streaming

Auf der jährlichen Apple-Konferenz Keynotes hat Apple mit Fitness Plus ein Konkurrenz-Angebot zu Peloton präsentiert. Gegen eine monatliche Rate von 9,99 Dollar (oder jährlich 79,99 Dollar) können Kunden in den USA, in UK, Australien, Irland und Neuseeland Fitness-Kurse in Yoga, Spinning, Rudern und Tanzen u.a. mit der Fitness-Plus-App streamen.

Das Ganze wird unterstützt von der neuen Apple Watch, die immer mehr zum Gesundheitstracker wird. Im Paket gibt es sogar TV, Musik, Gaming und Fitness als Apple One für 30 Dollar monatlich.

Der Peloton-Aktienkurs zuckte kurz und zeigte sich dann recht unbeeindruckt von der News. Peloton-CEO John Foley sieht den Einstieg von Apple als einen Ritterschlag für sein Geschäftsmodell: „The biggest thing I will say is it’s quite a legitimization of fitness content, to the extent the biggest company in the word, a $2 trillion company, is coming in and saying fitness content matters. It’s meaningful enough for Apple.“

So kann man es auch betrachten. Apple bietet neue Angebote nur an, wenn es damit Milliarden-Umsätze erwirtschaften kann. Apple weiß aufgrund der Marktmacht des App-Stores besser als jedes andere Unternehmen (mit Ausnahme Alphabets), welche Dienstleistungen von Kunden am meisten nachgefragt werden und kopiert diese einfach.

So wie es Amazon mit Produkten vorexerziert. Nie waren Informationen über Erfolg und Misserfolg von Diensten und Produkten so asymmetrisch verteilt. Alle Unternehmen, die ihre Apps und Produkte über die Apple und Alphabet Plattformen und über Amazon anbieten, kennen lediglich ihre eigenen Metriken, die Digitalgiganten kennen die KPIs aller.

Dennoch, der Einstieg von Apple ins Musik- und Videostreaming hat Spotify und Netflix nicht von den Spitzenplätzen verdrängt. Es hat vielmehr dem offline Verkauf von Musikträgern und dem linearen Konsum von Musik- und Videoinhalten geschadet.

Ähnlich wird es der Fitnessindustrie ergehen. Als führender Anbieter für vernetztes Fitness könnte der Apple-Einstieg die Expansion bei Peloton sogar beschleunigen. Pelotons Wachstum geht auch sehr stark einher mit großer Hardware, also Bikes und Laufband. Diesen Schritt geht Apple bisher nicht.

Produktionsengpässe bremsen Expansion

Apples Einstieg wird die regionale Expansion von Peloton beschleunigen. Allerdings kann Peloton aktuell nicht mal die Nachfrage in den existierenden Märkten USA, UK, Canada und Deutschland befriedigen. In das abgelaufene Quartal ist man schon mit einem großen Rückstand an Lieferungen hinein.

Die „deferred revenues“ aus Rädern, die bestellt aber noch nicht geliefert sind, machen 230 Millionen Dollar im Q2 aus. Obwohl man die Produktionskapazitäten verdoppelt habe, werde man bis Ende Q2 keine normalen Lieferzeiten erreichen können. Im Q1 und im Weihnachtsquartal-Q2 brummt das Geschäft bei Peloton besonders. Frühestens danach wird Peloton in der Lage sein, seine Produkte in neue Ländern auszurollen. Die neue Fabrik in Shin Ji, Taiwan, beginnt mit der Produktion Ende dieses Jahres und kann 1,5 Millionen Units (Bikes und Laufbänder) pro Jahr herstellen. Aktuell muss Peloton die Kapazitäten ausweiten. Sollte sich aber das Wachstum abbremsen, könnte auch schnell eine Überkapazität mit hohen Fixkosten entstehen.

Mit Bike+ mehr Krafttraining

Mit Bike+ bietet Peloton seit dem 9. September in allen Ländern ein neues Spinning-Bike an, mit u.a. einem größeren, drehbaren Monitor und einer besseren Soundbar. So sollen neben Cardio auch deutlich mehr Sportarten mit dem Gerät möglich sein. Einen besonderen Schwerpunkt will das Unternehmen auf Krafttraining setzen.

Bildschirm mit Peloton Fitnessübung

In Deutschland gibt es das neue Rad für 2700 Euro. Auch ein neues Laufband soll Ende Dezember in den Markt kommen. Im Zuge der neuen Produktoffensive wird der Preis für das alte Bike um 350 Dollar reduziert. Wer sein altes Bike gegen ein neues tauschen möchte, bekommt für das alte sogar 700 Dollar zurück. So möchte man die Konversion in neue Modelle maximieren. Hier hat Peloton das Erfolgsmodell von Apple einfach abgekupfert.

Gesundheitstracking und Einstieg ins B2B-Geschäft

Apple wird mit der Watch künftig auch die Konzentration von Sauerstoff im Blut messen. Damit steigt das Unternehmen immer weiter in den E-Health-Markt ein. Auch bei Peloton wäre dieser Schritt eine logische Weiterentwicklung des Angebots. Das Unternehmen ist mit seinem Angebot und seinem Datentracking geradezu prädestiniert für den E-Health-Markt.

Bildschirm mit Peloton Dashboard

Konkrete Pläne sind nicht bekannt. Aber in Interviews hat das Management schon mehrere Andeutungen in diese Richtung gemacht. Im Analystencall nach den Zahlen gab es eine konkrete Frage zum Datenschatz von Peloton und zur möglichen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Versicherern.

Die Antwort von Peloton-Präsident William Lynch: „I’ve been being asked about what our plan is with the data, and we’ve never had a plan other than to protect it, but we do see a big opportunity with corporate and insurers, and I’m sure in the coming quarters, we’ll have something to talk to you about.“

Das klingt dann doch schon konkret. Mit Peloton-Geräten könnten bald Unternehmen ein Fitnessstudio ins Büro holen, oder sogar die Fitness und somit die Gesundheit ihrer Mitarbeiter im Home-Office fördern. Ähnliches gilt für Versicherer.

CVS-Health wird seinen Versicherten einen freien Zugang zu Apples Fitness-Service bieten. Einen ähnlichen Vertriebsweg wählt Amazon für sein Fitness-Armband Halo. Mit Googles geplanter Übernahme von Fitbit stärkt auch Alphabet das eigene E-Health-Geschäft mit ähnlichen Kooperationen.

Für Peloton wäre eine Zusammenarbeit mit Unternehmen und Versicherungen ein attraktiver Einstieg in das B2B-Geschäft. Doch auch hier gilt: Peloton muss zunächst die Produktionskapazitäten deutlich hochfahren.

Guidance deutlich angehoben

Peloton gehört zu den ganz wenigen Unternehmen an der Wallstreet, die eine Guidance nicht nur  für das nächste Quartal, sondern auch für das laufende Geschäftsjahr wagen. Warum auch nicht, allein die Bikes, die im Q4 bestellt aber erst im Q1 geliefert werden, führen zu einem Umsatz von 230 Millionen Dollar. Der Gesamtumsatz im Q1 wird im Mittelwert mit 725 Millionen Dollar geschätzt, ein Wachstum von 218 Prozent.

Die Bruttomarge wird allerdings aufgrund der Preisnachlässe bei den aktuellen Bikes und noch geringen Skaleneffekten bei Bike+ auf 41 Prozent fallen. Für das Gesamtjahr will Peloton den Umsatz um 96 Prozent auf über 3,5 Milliarden Dollar steigern.

Die EBITDA-Marge soll Ende des Jahres bei 6,6 Prozent liegen. Peloton ist früher als erwartet profitabel geworden (Non-GAAP), doch das Management setzt weiterhin mehr auf Wachstum als Profitabilität. Erst recht, wenn die Konkurrenz jetzt immer größer wird.

Apple vs Peloton – Bewertung und Fazit

Nach der Kursrallye der letzten Monate ist Pelotons Marktkapitalisierung auf knapp 24 Milliarden Dollar gestiegen. Mit einem Cashbestand von 1,7 Milliarden Dollar und keinen Schulden liegt das EV bei etwas über 22 Milliarden.

Trotz der Kursrallye ist aufgrund des exponentiellen Wachstums das EV/Sales (FWD) von 8,4 auf 6,5 gefallen seit unserem letzten Update. Zwar werden nach wie vor nur 20 Prozent der Umsätze aus Subskriptionen erwirtschaftet, doch im Q4 hat das Unternehmen einen Eindruck vermittelt, wie profitabel das Geschäft werden kann, wenn die Kapazitäten hochgefahren sind und die Skaleneffekte wirken.

Langfristig kann das Unternehmen Bruttomargen von über 50 Prozent erzielen. Zum Vergleich, die Bruttomarge bei Netflix liegt bei circa 38 Prozent (EV/Sales FWD bei 8,5) und bei Spotify bei circa 25 Prozent (EV/Sales FWD bei 4,75).

Peloton ist in die sportliche Bewertung viel schneller hineingewachsen als von mir erwartet. Den Erfolg von Peloton auf die Corona-Pandemie zu reduzieren, würde dem Unternehmen nicht gerecht werden. Die Metriken für das Kundenengagement deuten darauf hin, dass hier ein außergewöhnlich starkes Ökosystem im Connected-Fitness-Markt entsteht.

In den nächsten zwei Quartalen wird das Wachstum mit hoher Visibilität weiter zunehmen. Derzeit erreicht Peloton 0,8 Prozent der US-Haushalte. Und nur 3,5 Prozent der Umsätze kommen aus Regionen außerhalb Nordamerikas.

Bald steht die Expansionen in neue Länder wie vermutlich China und der Einstieg in den B2B- und E-Health-Markt an.

Die Aktie halte ich daher nicht mehr für überteuert. Wir werden unsere aktuelle Peloton-Position im Portfolio von The Digital Leaders Fund halten.

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Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Peloton. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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