Etsy Aktie: Ein E-Commerce Wert auch für schwierige Börsenzeiten

24. März 2022

Etsy Aktie

Die Etsy Aktie gehört zu den Schwergewichten in unserem Portfolio. Der Aktienkursverlauf ähnelt dem vieler E-Commerce Unternehmen: Eine fulminante Rally im Coronajahr 2020 und ein ähnlich imposanter Crash seit Ende 2021. Dabei hat sich Etsy fundamental besser entwickelt als viele Konkurrenten. Mit diesem Update wollen wir auf die jüngsten Ereignisse bei Etsy eingehen und begründen, warum wir unsere Position sogar erhöht haben.

Etsy Aktie Kurs Chart
Kursverlauf Etsy Aktie

Quartalszahlen deutlich über Erwartungen

Etsy hat starke Zahlen für das vierte Quartal 2021 vorgelegt. Der Wert aller Transaktionen (GMS) auf dem Online-Marktplatz, der Umsatz und der Gewinn sind höher ausgefallen als von Analysten erwartet.

Das Umsatzwachstum von 16 Prozent gegenüber dem starken Q4 2020 ist recht beeindruckend, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig der Transaktionswert von Masken auf der Plattform um über 70 Prozent zurückgegangen ist. Offensichtlich war der Online-Händler für Selbstgemachtes und Unikates nicht so stark von den Lieferproblemen betroffen wie andere Verkäufer. CEO Josh Silverman: „Many retailers were struggling with congested supply chains, Etsy sellers brought the benefits of shopping small to scale.”

Aktivere Buyer, reichere Seller

Etsy hat die Zahl der aktiven Käufer um weitere 9 Millionen auf mittlerweile 90 Millionen erhöhen können. Mit 35 Millionen Neukunden hat Etsy nicht ganz so viele neue Käufer akquirieren können wie im Rekordjahr 2020. Dafür steigt aber die Zahl der Wiederholungstäter.

57 Prozent der aktiven Kunden und 37 Prozent der Neukunden 2020 haben auch 2021 auf der Plattform eingekauft. Die Zahl der aktiven Kunden, die mehr als zwei Produkte gekauft haben, ist von 48 Prozent auf 49 Prozent gestiegen. Diese Metriken sind bei Etsy besonders interessant, da die Plattform aufgrund der Auswahl nicht zu Gewohnheits-, sondern eher zu Gelegenheitskäufen einlädt. Aber die Zahl der habituellen Kunden wuchs 2021 um ca. 25 Prozent auf nun 8,1 Millionen. Auch die Kennzahl GMS pro Kunde ist um 16 Prozent auf den Rekordwert von 136 Dollar gestiegen.

Die Zahl der Verkäufer ist im Gesamtjahr 2021 um 28 Prozent auf 5,3 Millionen gestiegen. Das ist etwas niedriger als das GMS Wachstum von 29,6 Prozent. Damit haben die Verkäufer im Schnitt mehr Umsätze auf der Etsy-Plattform erwirtschaften können. Käufer und Verkäufer werden von Etsy offensichtlich immer besser gematcht. 95 Prozent aller Käufe verteilen sich auf Suchergebnisse auf der ersten Seite. Die Personalisierung scheint also erstaunlich gut zu gelingen für eine Plattform mit wenig Gewohnheitskäufern.

House of Brands

Etsy hat nach der Übernahme von Reverb in 2019 – Reverb ist ein Online-Handel für gebrauchte Musikinstrumente – gleich zwei weitere Unternehmen im Juni 2021 übernommen: Depop, ein in London beheimateter Online-Händler für Second-Hand-Ware, und Elo7, ein brasilianischer Online-Marktplatz für selbstgefertigte Produkte. Die Übernahmen (1,6 Milliarden Dollar für Depop und 217 Millionen für Elo7) hat Etsy aus dem Cashbestand finanziert. Das Timing der Übernahme war denkbar ungünstig. Ein halbes Jahr später hätte man für Depop sicher nicht das 23-fache des Umsatzes zahlen müssen. Konkurrent Poshmark ist aktuell weniger als dreimal Umsatz bewertet.

Etsy stellt sich damit regional breiter auf und steigt in den Fashion Markt ein. Alle drei Unternehmen sollen weiterhin mit einem eigenen Brand auftreten. Sicher gibt es Synergien bei Themen wie Logistik und Payments. Ob es allerdings gelingt, dass sich die unterschiedlichen Marken einen Wachstumsschub verpassen, bleibt abzuwarten. Der GSM Beitrag 2021 (jeweils ab Juli konsolidiert) war mit 294 (Depop) und 32 (Elo7) Millionen Dollar eher bescheiden. Reverb dagegen hat mit 948 Millionen Dollar deutlich zum GMS 2021 beigetragen.

Margen und Take Rate bei den neuen Plattformen ist niedriger als bei Etsy. Die Take Rate bei Etsy lag in Q4 bei 18 Prozent, die konsolidierte Take Rate bei 17,1 Prozent. Die adjustierte EBITDA Marge lag bei stolzen 31 Prozent. Etsy wies aber darauf hin, dass die neuen Akquisitionen die Marge eher verwässern.

Ende der Lockdowns, Lieferketten, Stagflation

Der Absturz vieler Wachstumsunternehmen war eine Frage der Zeit. Wir haben in diversen Artikeln auf die vielfach hohe Bewertung hingewiesen. Bei den E-Commerce Unternehmen sind weitere Gründe dazugekommen. Mit dem Ende der Lockdowns hat sich das Kaufverhalten wieder normalisiert. Die Zahl der „monthly active user“ (MAU) ist bei vielen Unternehmen wieder rückläufig. Der Vergleich von Etsy, Zalando und Wayfair zeigt aber ein sehr unterschiedliches Muster.

Monatlich aktive Nutzer der Etsy, Zalando und Wayfair App Vergleich

Bei Etsy ist das Wachstum der MAU-Zahlen weiter intakt, die kleine Delle Anfang des Jahres ist der Saisonalität geschuldet. Auch bei Zalando entwickeln sich die Nutzerzahlen solide. Dagegen haben sich die meisten Menschen eingedeckt mit Möbeln für das Homeoffice. Die Nutzerzahlen bei Wayfair fallen weiter. 

Auch Lieferprobleme treffen Etsy weniger. Etsy verkauft Handgemachtes und Unikate. Kommen wir nun zum Thema Konsumverhalten in Zeiten wirtschaftlichen Einbruchs. Hier hilft ein Blick auf die Bewertung der Etsy Aktie.

Margen gegen Stagflation

In unserem Blogartikel „Zum Jahresende mehr Quality als Growth“ hatten wir dargestellt, dass Investoren in Zeiten steigender Zinsen weniger auf Umsatzwachstum, sondern mehr auf Profitabilität setzen. In einem Umfeld der Stagflation gilt das umso mehr. Profitables und effizientes Wachstum, Cashflow und stabile Gewinnmarge rücken dann in den Fokus. In der Tabelle unten haben wir diverse Unternehmen im E-Commerce verglichen.

Die Tabelle zeigt, dass Etsy im Konkurrenzvergleich ein sehr stattliches Umsatzwachstum aufweist, jedoch bemerkenswert profitabler ist als die Peer-Group. Etsys KGV für das Jahr 2022 liegt bei 35, für das Jahr 2023 bei 27 (auf Basis Konsensusschätzungen). Da viele in der Peer-Group keine Gewinne erwirtschaften, haben wir EBITDA-Zahlen zum Vergleich herangezogen. Kein Unternehmen kommt annähernd an die EBITDA-Marge von Etsy heran. Highflyer wie Shopee (SEA Limited) verbrennen massiv Geld. Unternehmen wie Wish werden bei den Zahlen vermutlich nicht eigenständig bleiben. Shopify und Mercadolibre wachsen zwar profitabel, aber nicht mit der Marge von Etsy und sind trotz des Kursverfalls immer noch deutlich höher bewertet.

Neuer Call-to-Action

Ein Blick auf die Rule of 40 zeigt, wie effizient das Wachstum bei Etsy ist. Der Efficiency Score liegt mit knapp 62 nur geringfügig unter dem Wert von Shopify (der hohe Wert bei Shopee bezieht sich auf Sea Limited insgesamt somit auch auf die Gaming Plattform Garena). Die Tabelle zeigt auch, wie stark die Bewertung von Zalando zurückgekommen ist. Im Zusammenspiel von Wachstum, Marge und Bewertung setzt sich Etsy auffallend positiv von der Peer-Group ab.

Nach Bekanntgabe der Q4 Zahlen hat die Etsy Aktie knapp 20 Prozent zulegen können, obwohl die Guidance für das Wachstum für Q1 schwächer ausgefallen ist. Der Fokus der Anleger liegt aber bei den Margen. Und die werden bei Etsy künftig sogar höher ausfallen. Das Unternehmen hat angekündigt, ab dem ersten April die Transaktionsgebühr für die Verkäufer von derzeit 5 Prozent auf 6,5 Prozent zu erhöhen. Das ist eine Erhöhung von 30 Prozent. Es wird den Sellern nicht gefallen, aber sie werden es zähneknirschend hinnehmen, denn im Schnitt machen sie immer mehr Umsatz über den Etsy-Marktplatz.

Aktuell leidet die Etsy Aktie unter dem ungünstigen Sentiment für Wachstumstitel. Ein Einbruch des Konsumentenvertrauens würde E-Commerce Unternehmen besonders treffen. Dagegen wäre auch Etsy nicht gefeit. Falls das Szenario einer Stagflation tatsächlich eintreten sollte, dann möchte ich mit hochmargigen Unternehmen wie Etsy das Portfolio durch diese Zeit navigieren.

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Disclaimer

The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Etsy. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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4 Antworten

  1. Hallo Baki,

    für wie werthaltig stufst du die immateriellen Vermögensgegenstände ein, die in Etsys Bilanz ja inzwischen einen ganz erheblichen Teil der Aktiva ausmachen? Insbesondere die zu einem m. M. n. recht hohen Multiple erfolgte Depop-Übernahme hat den Goodwill ordentlich ansteigen lassen. Siehst du hier eventuellen Abschreibungsbedarf auf Etsy zukommen?

    Viele Grüße

    Martin

  2. Hallo Baki, was hälst du von dem aktuellen „Verkäuferaufstand“ bei Etsy gegen die angekündigte Gebührenerhöhung? Ist die Kritik bezüglich des zunehmenden Verkaufs von Massenwaren berechtigt? Etsy kann ja eigentlich kein Interesse daran haben, zu einem Konkurrenten von ebay zu werden. Viele Künstler sollen sich schon von Etsy verabschiedet haben. Siehst du ernsthafte Probleme mit dem Geschäftsmodell?
    Gruß Hiltrud

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