Digitalisierung – Warum Unternehmen scheitern

7. Dezember 2018

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern

Knapp 9 Monate ist der Digital Leaders Fund nun alt.

Wir haben in dieser Zeit unsere Leser regelmäßig über unseren Investmentansatz informiert und die meisten unserer Portfoliowerte porträtiert.

Uns interessiert dabei immer: Wie erfolgreich ist das Geschäftsmodell im digitalen Zeitalter, und wie viel vom perspektivischen Erfolg ist bereits in den Kursen enthalten?

„Die Welt wird neu verteilt, in Echtzeit, ungleich“, haben wir etwas dramatisch in unserem Fondstrailer überspitzt.

Je mehr wir uns mit den Unternehmen der „alten Welt“, die häufig abfällig als „Legacy-Unternehmen“ bezeichnet werden, beschäftigen, desto überzeugter sind wir davon, dass die meisten scheitern werden.

Kunden wollen Sofortness

Die IT-Altsysteme mit ihren Spaghetti-Strukturen und Stapelverarbeitungen (Batch) sind nicht auf Tempo getrimmt. Sie erlauben keine Echtzeitanpassung, keine Sofortness.

„We are preparing this platform by introducing instant payments, 365 days a year that replaces the old batch-based payments with a real-time solution”, sagte der CEO von ING.

Und ING gehört bekanntlich zu einer digital führenden Bank.

Nicht an Innovationen, sondern an der Implementierung von Innovationen scheitern die meisten Unternehmen.

Mindset is Everything

Wenn Unternehmen digitale Transformationsprozesse lostreten, dann hat sich die Welt draußen, das Kundenverhalten, die technologischen Möglichkeiten schneller verändert, als die Organisation von Planung zu Exekution übergegangen ist.

Es ist ein aussichtsloser Wettkampf gegen die Zeit.

Neben der oft monolithischen und kaputten IT-Infrastruktur stimmt weder Skillset noch Mindset, nämlich die Urteilsfähigkeit des Managements bei digitalen Themen und die richtige Einstellung und Einstimmung der Belegschaft. Mindset is Everything.

Der Prozess ist das neue Produkt, „there is no finishing line“, daher ist das Wort Transformation auch oft irreführend.

Unternehmen wie BBVA und ING, die sehr früh auf Agilität gesetzt haben, mag es gelingen, schnellere, wendigere Unternehmen zu werden.

Einer Commerzbank hätte man aber mehr Mut gewünscht, das Projekt Copernikus umzusetzen, im Zweifel auch mit anderen Kapitalgebern. Denn mit einer unabhängigen mBank und Comdirect hätte das Unternehmen den europäischen Bankenmarkt aufmischen können.

Und auch die Deutsche Bank hat ihr Bank-24-Trauma nie überwunden. Seither sind dort jegliche Initiativen einer Digital-Bank abgeschmettert worden. Das ist bedauerlich.

Die Unternehmen hätten so mehr Zeit gewinnen können für die notwendige Anpassung ihres Geschäftsmodells.

Die Scheindigitalisierung

Stattdessen werden zentrale Innovationsteams eingeführt, die Innovation nur bürokratisieren sowie digitale Fabriken, die Parallelstrukturen schaffen und Digitale Labs, oft nur nette dekorative Elemente ohne jeglichen Nutzen für das Unternehmen.

Die Operation am offenen Herzen führt zu Einnahmeausfällen, ohne dass die digitalen Projekte nennenswerte Umsätze abwerfen.

Die vollmundigen Ankündigungen über riesige Budgets für Digitalisierungsprojekte entpuppen sich immer mehr als Nebelkerzen.

Die Ergebnisse bleiben aus.

Oft sind diese Budgets nur Konjunkturprogramme für die großen Beratungsgesellschaften.

Banken wie unser Portfoliowert DBS (mehr dazu in unserem Artikel zur DBS Aktie) gehören zu den rühmlichen Ausnahmen, die auf Dienste der digitalen Söldner verzichten und darauf bedacht sind, Intellectual Property nicht aus der Hand zu geben.

Der Unterschied zur Dotcom-Blase

Bei der Internet-Bubble vor etwa 20 Jahren hatte die „old economy“ das Geld, die neuen Herausforderer nur Visionen.

Nun ist auch dieser Vorteil weg:

Apple hat heute mehr als 250 Milliarden USD Cash, Microsoft kommt auf 140 Milliarden USD, Alphabet auf über 100 Milliarden und Facebook über 40 Milliarden USD.

Zum Vergleich, die Deutsche Lufthansa ist an der Börse gerade mal 8,5 Milliarden Euro wert.

Die aufgezählten Plattformunternehmen können also die Übernahme mehrere DAX-Konzerne aus der Portokasse zahlen.

Viele Startups sammeln heute mehr Geld ein, als große Unternehmen für ihre epischen Digitalisierungsprojekte jährlich verbrauchen.

Ich nutze gerne eine Bild entlehnt aus „Gullivers Reisen“, welches anschaulich die Bedrohung für etablierte Unternehmen darstellt.

Nicht ein einzelnes Startup, sondern eine Armee von kleinen und hochspezialisierten Anbietern, die sich einen Ausschnitt aus dem Wertstrom der Unternehmen vornehmen und diesen permanent verbessern, bringen die Etablierten zur Strecke.

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern - Tod durch tausend Schnitte
Death by a thousand cuts.

Was zählt sind transaktionale Daten

Heute sind viele dieser Startups sogar übergreifend erfolgreicher als die „Incumbents“, die Amtsträger, wie es angelsächsisch heißt.

Eine Check24 hat über 16 Millionen Kunden, eine Zalando über 20 Millionen, PayPal über 254 Millionen Kunden.

Deren Interaktion mit den Nutzern ist viel intensiver und daher kennen diese Unternehmen ihre Kunden auch besser.

Sie haben nämlich transaktionale Daten, mit anderen Worten Verhaltensdaten, nicht nur statische Referenzdaten.

Check24 schließt in Oktober und November über 6 KFZ-Verträge in der Sekunde ab.

Bei PayPal (unser Artikel zur PayPal Aktie) machten die 254 Millionen Kunden im Schnitt 36,5 Transaktionen im letzten Quartal.

Kein Wunder also, dass an der Börse selbst ein Payment-Anbieter wie Evertec aus Puerto Rico mehr wert ist als manch etablierte europäische Bank.

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern - Banken crashen
Aktien 2018: Banken crashen, Payment boomt.

Kaufhäuser sterben

Sears, Macy`s, Toys R Us sind schon pleite.

Bei John Lewis, Marks & Spencer, H&M erodieren die Gewinne. Kaufhaus und Karstadt stemmen sich zusammen gegen den Onlinehandel.

Selbst beim Fashion-Giganten Inditex lässt das Wachstumstempo nach.

Amazon ist nun auch dort, wo die Kunden am häufigsten sind, nämlich bei den Lebensmittelherstellern. Lebensmittel brauchen Menschen häufiger als Bücher. Zeig mir was Du ißt, und ich sage Dir, wer Du bist.

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern - Amazon Aktie erfolgreich
Aktien 2018. Amazon eine Klasse für sich.

Software is eating the world

Mit „Software is eating the world“, hat der Netscape-Erfinder Marc Andreessen einen der wichtigsten Leitsätze des digitalen Zeitalters formuliert.

Lange war das nur dort so, wo die Gesetze der Physik nicht gelten, wo Produktionsengpässe keine Rolle spielen.

Heute sind auch Autos immer mehr Software.

Doch bei vielen altehrwürdigen Software-Anbietern floriert das Geschäft nicht mehr.

Die Zukunft der Software liegt in Cloud- und Subskriptionsmodellen.

Unser Portfoliowert Microsoft ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen im Gegensatz zu den Wettbewerbern rechtzeitig sein Geschäftsmodell angepasst hat.

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern - Microsoft Aktie
Aktien 2018: Microsoft hängt die Konkurrenz ab.

The Digital Leaders Fund im Vergleich

Und wie hat der Digital Leaders Fund innerhalb seiner Peer Group abgeschnitten?

Wir werden immer wieder mit Fondskonzepten verglichen, die auf Themen wie Robotics, AI, Industrie 4.0 etc. setzen.

Und auch wenn wir unermüdlich betonen, dass wir kein reinrassiger Technologiefonds sind, so werden wir doch immer mit diesen verglichen. Also haben wir spaßeshalber die Fondsperformance seit Auflegung unseres Fonds gegen prominenten Milliardenfonds laufen lassen.

Digitalisierung - Warum Unternehmen scheitern - Wertentwicklung Digital Leaders Fund DLF

Ein Urteil kann sich jeder selbst bilden.


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  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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2 Antworten

  1. Lieber Baki,
    diese Sichtweise kann ich aus meinen Erfahrungen im Bankenbereich klar unterstreichen. Wenn man sich vorstellt, dass es bis vor wenigen Jahren keine Bank gab, die eine Überweisung am selben Tag zum Empfänger überstellt hat (geschweige denn in real time), ist das mehr als 20 Jahre nach dem Siegeszug der Email schon ein Trauerspiel. Keine Innovation, keine Eigeninitiative in Richtung Kundenbedürfnisse. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass das nicht nur an den veralteten Systemen liegt, sondern auch am Mindset, das sich oft nicht wesentlich davon unterscheidet.

    1. Lieber Gerrit, das ist wahrscheinlich das größte Problem bei allen Unternehmen, die gerade ihr Geschäftsmodell an die neue Zeit anpassen. Skillset kann man sich schnell aneignen, Mindset nicht.

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