Wahrscheinlich habt Ihr Euch in den letzten Wochen beim Blick auf die Kurse von Adyen, Square, Wirecard auch die Augen gerieben.
Der Payment-Markt scheint wie entfesselt zu sein. Der Kurs von Adyen hat sich seit dem IPO im Juni dieses Jahres verdreifacht, der Aktienkurs von Square dieses Jahr bereits über 150 Prozent zugelegt und Wirecard mit einer Kursverdoppelung nun sogar die Commerzbank aus dem DAX gekickt.
Mit Investitionen in Mastercard, Paypal, Alibaba und Tencent ist das Thema prominent im Digital Leaders Fund besetzt. Daher starten wir heute mit einer Payment-Serie und stellen in den nächsten Wochen detailliert Trends und Titel im derzeit heißesten Segment der Finanzwelt vor.
Der 800 Milliarden Markt
Die Zukunft des Bezahlens ist elektronisch, mobil, instantan und bargeldlos.
Nach dem Nilson Report sind 2017 über 23 Billionen US-Dollar über E-Payment geflossen. Und da Bargeld immer noch dominiert, ist kein Ende des Wachstums in Sicht.
Die Paymentexperten von Nilson Report schätzen für 2023 das Volumen für bargeldloses Bezahlen bei 40 Billionen US-Dollar.
Wenn wir nun vereinfacht und konservativ unterstellen, dass Händler im Schnitt 2 Prozent (siehe unter Anderem Nilson Report, Ibi-Analyse) abführen an diverse Akteure des Zahlungsprozesses, dann wird klar, warum die Investmentwelt beim Payment-Markt gerade verrückt spielt: Etwa 800 Milliarden US-Dollar gibt es zu verteilen.
“This is going to be the battle of all time“, sagt Jamie Dimon, der CEO von JPMorgan.
Und alle wollen dabei sein, die großen Plattformen wie Alibaba, Amazon, Google und Apple, die großen internationalen Banken (DBS Aktie), die Kreditkartenorganisationen und dazwischen hochspezialisierte neue Intermediäre wie Adyen und Stripe oder Payment Konglomerate wie Wirecard, die an vielen Stellen des Wertstroms Payment mitmischen.
Bevor ich allerdings auf die Positionierung des Digital Leaders Fund eingehe und detailliert Einzelwerte vorstelle, möchte ich heute eine kurze und einfache Einordnung denjenigen geben, die sich mit dem Payment-Markt bisher nicht beschäftigt haben.
Im Zahlungsverkehr herrschten schon immer byzantinische Verhältnisse mit fragmentieren Zahlungssystemen selbst auf nationaler Ebene.
Im E-Commerce und im Web war und ist immer noch die Kreditkarte das unangefochten beliebteste Zahlungsmittel. Im klassischen Vier-Parteien-System von Kreditkartenorganisationen (Mastercard und Visa) sind seit jeher die Rollen klar verteilt:
Der Kunde initiiert am Point of Sales (der ist mittlerweile überall) die Zahlung.
Die Daten werden zur Autorisierung an die Händlerbank weitergeleitet, die eine Authentifizierungsanfrage bei der Bank des Kunden einleitet.
Nach erfolgter Autorisierung wird das Kreditkartenkonto mit dem vereinbarten Betrag belastet und das Konto des Händlers mit diesem Betrag abzüglich einer Gebühr (Disagio) gutgeschrieben.
Um zu illustrieren, wer wieviel am bargeldlosen Bezahlvorgang mit Karte verdient, haben wir extrem simplifiziert den Gebührenstrom oben unterstellt.
An der vereinfachten Darstellung sieht man nun sehr deutlich, dass der große Teil der Fee (wir haben hier konservativ 2 Prozent angenommen) als Interbankengebühr an die ausgebende Bank fließt und nur etwa 10 Basispunkte an Mastercard oder Visa und circa 40 Basispunkte an den Aquirer/PSP (dieser Wert kann je nach Zusatzdienstleistung massiv schwanken).
Allerdings: Während weltweit tausende Banken sich als Issuer betätigen und über 1.000 Anbieter als PSP und Acquirer agieren, gibt es nur 4 nennenswerte Kreditkartenunternehmen weltweit (Visa, Mastercard, American Express und China Union Pay).
Bei den Endkunden-Banken wird der Markt fragmentiert bleiben. Bei den Händlerbanken und Abwicklern gibt es eine eindeutige Tendenz zur Konzentration.
Derzeit ist der Markt davon überzeugt, dass es den aufstrebenden Herausforderern wie Adyen, Square, Stripe und Wirecard gelingen wird, die altetablierten Abwickler zu verdrängen und größere Marktanteile des E-Commerce auf sich zu vereinnahmen.
Die Macht der Kreditkartenorganisationen
Die Kreditkartenorganisation legt auch die Interbankengebühr fest (die allerdings der Issuer bekommt) und lizensiert die Aquirer für die Nutzung der Infrastruktur.
Gegen die Dominanz der Kartenorganisationen auf dem Payment-Markt gehen Staaten und Händler mit mehr oder weniger Erfolg seit Jahren vor.
Die im Dezember 2015 in Kraft getretene europäische Interbankenentgelt-Verordnung hat die „Multilateral Interchange Fees“ (MIF) auf 0,3 Prozent vom Umsatz bei Kreditkarten und 0,2 Prozent bei Debitkarten gedeckelt (die 1,5 Prozent in der Graphik oben gelten für europäische Banken nicht mehr). Die großen Verlierer sind die europäischen Banken, große Händler die Nutznießer.
Für die Kreditkartenorganisationen hat sich wenig geändert, die Banken haben deswegen nicht weniger Kreditkarten ausgegeben.
Die US-Banken verdienen am boomenden Geschäft kräftig mit, hier liegt die Interbankengebühr noch über 1,5 Prozent. Das ist ein eklatanter Vorteil gegenüber ihren europäischen Wettbewerbern.
Die letzte große Anstrengung nordamerikanischer Händler die Macht der Kartenorganisationen zu brechen, ist kläglich gescheitert (siehe MCX).
Banken und Aquirer kommen und gehen, die Regulierung nimmt zu, nur die Macht der Kreditorganisationen ist ungebrochen. Das erklärt, warum Investoren Visa derzeit mit 330 Milliarden USD und Mastercard mit 220 Milliarden USD bewerten.
Payment-Markt: Konkurrenz durch Marktplätze
Konkurrenz im Payment-Markt kommt aus einer anderen Ecke, nämlich den großen E-Commerce Marktplätzen.
Paypal, Amazon, Google nutzen allerdings für ihre Bezahllösungen die existierende Infrastruktur, nämlich Karten, allerdings auch Konten.
Der große Erfolg von Paypal war, dass es Kunden ohne Plastik die Möglichkeit für E-Commerce geboten hat; und das ohne komplizierte Eingabe von endlosen Nummern (mehr dazu in unserem Artikel zur PayPal Aktie).
Das virtuelle Konto hat auch keine Nummer, E-Mail-Adresse genügt. Kunden in Deutschland müssen nur das virtuelle Konto mit Geld aufladen, eine Kreditkarte hinterlegen, das GiroPay-Verfahren nutzen oder PayPal eine Bankeinzugsermächtigung erteilen.
Paypal ist Konkurrent und Kooperationspartner der Kartenunternehmen zugleich. Und selbst Apple Pay setzt auf die bestehende und etablierte Infrastruktur von Mastercard und Visa.
Wer Apple Pay nutzen möchte, muss derzeit eine Debitkarte für das virtuelle Konto hinterlegen.
Somit macht Apple weder den Banken, noch den Kreditkartenorganisationen Konkurrenz. Nur die Gebühren müssen die Banken teilen. Manche Marktbeobachter sehen das als eine vorübergehende Lösung.
Nur in China ist man einen anderen Weg gegangen.
Als Alibaba 2004 Alipay einführte, war das Ziel das Vertrauensproblem zwischen Händlern und Endkunden auf ihrer B2C Plattform Taobao zu lösen.
Taobao behielt das Geld des Kunden so lange, bis der Kunde den Eingang der Ware bestätigte. Schnell wurde daraus ein erfolgreiches Geschäftsmodell und ein virtuelles Konto.
Heute ist Ant Financials ein vollwertiges Finanzinstitut. Zusammen mit Wechat Pay dominieren beide Anbieter den Payment-Markt in China.
Nur die landeseigene Kreditkartenorganisation China Union Pay kann den beiden noch Paroli bieten.
Soviel zur Einführung in den Gesamtmarkt. Nächste Woche beschäftigen wir uns dann mit der großen deutschen Paymentstory Wirecard.
Um auf dem neuesten Stand zu bleiben und keine Neuigkeiten zu verpassen, abonniere hier unseren wöchentlichen Newsletter.
Autor
-
Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
Alle Beiträge ansehen
Eine Antwort
Ein sehr guter und vor allen Dingen ausführlicher Bericht zu diesem Thema. Da kann man doch das ein oder andere erfahren, was bislang garnicht in dieser Form bekannt war.